Ein klassischer Adventskranz ist rund. Das geht auf Johann Hinrich Wichern zurück, der im Dezember 1839 ein großes Wagenrad¹ an die Zimmerdecke eines Gebetsaales hängte. Dabei war der Erfinder des Adventskranzes weder ein Kirchendekorateur noch ein römisch-katholischer Abt eines alpenländischen Kapuzinerklosters. Vielmehr leitete der gnädige Oberlehrer Wichern seinerzeit eine heilpädagogische Einrichtung, die heute als das Rauhe Haus² bekannt ist. In diesem Rettungshaus waren damals vor allem die Kinder des ausgebeuteten Hamburger Stadtproletariats untergebracht. Um seinen kummervollen Schützlingen die Vorfreude auf das Weihnachtsfest zu versüßen, steckte der gütige Heimchef vier weiße Kerzen für die Adventssonntage auf ein altes Wagenrad. Außerdem schmückte er seinen improvisierten Kronleuchter mit kleineren roten Kerzen für die Wochentage. Als der Sozialpädagoge daraufhin den ersten Adventskranz der Welt an der Decke des hauseigenen Gebetsaales montiert hatte, durften die Heranwachsenden jeden Tag im Advent ein neues Licht anzünden. Somit konnten alle Bewohner des Rauhen Hauses immer gleich sehen, wie lange sie noch brav sein mussten, um vom Christkind reich beschenkt zu werden.
Er nahm ein großes Wagenrad, steckte 19 kleine Kerzen und 4 große Kerzen darauf. Die kleinen Kerzen standen für die Wochentage [und] die großen für Adventssonntage. Und jeden Tag wurde eine weitere Kerze entzündet.
Lingen von, Jan: Das Kirchenlexikon - A wie Adventskranz. ndr.de (11/2017).
Obwohl das Original alle Tage des Advents abbildete, setzten sich Adventskränze mit nur vier Kerzen durch. Das hatte vor allem finanzielle Hintergründe, da Wachskerzen im 19. Jahrhundert noch so teuer³ waren, dass diese von der Normalbevölkerung nur sehr sparsam eingesetzt wurden. In den 1920er⁴ Jahren brachten deutsch-christliche Jugend-bewegungen den Adventskranz dann in so gut wie alle Haushalte der Weimarer Republik. Zu dieser Zeit zogen die Tannenkränze auch in die Kirchen ein. Dabei war der Kölner Dom im Jahre 1925 das erste römisch-katholische Gotteshaus, welches mit einem Adventskranz geschmückt wurde.
Heutzutage besteht ein konventioneller Adventskranz aus einem Strohrömer, um den sogenanntes Immergrün gebunden ist. Auch dieser Brauch ist im Hamburger Rauhen Haus entstanden.
Denn im Jahre 1860 war den Jugendlichen ihr altbackenes Wagenrad zu langweilig geworden. Das könnte daran gelegen haben, dass die historische Erziehungsanstalt zwischenzeitlich auch von Mädchen bewohnt wurde. Auf jeden Fall verpassten die „Rauhhäusler” ihrem vergilbten Holzrad im besagten Jahr einen stilvollen Überzug, der aus grünen Tannenzweigen und weißen Bändern bestand.
Erst 1860 verzierten die „Rauhhäusler” auch ihren Adventskranz mit Tannengrün und weißen Bändern.
Wölfel, Christian: Adventskranz. katholisch.de (11/2017).
Alle weiteren Adventskranzdekorationen basieren auf Trends, die sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt haben. In der modernen Fachliteratur⁵ sind klassische Kränze oftmals mit Kiefernzapfen oder mit künstlichen Früchten dargestellt. Auch im Ausland wird die deutsche Adventsdeko gerne mit diesen Ingredienzien angepriesen.
Dann schmückt man [den Adventskranz] zusätzlich mit künstlichen roten Beeren, Tannenzapfen und so weiter.
Doutriaux, Claire: der Gegenstand: der Adventskranz - Karambolage - ARTE. youtube.com (11/2017).
Insofern gehe ich davon aus, dass die sittsamen deutschen Hausfrauen bereits in den 1940er Jahren damit begannen, ihre Adventskränze zusätzlich mit Winterobst und braunen Zapfen zu verzieren.
Wenn ich nun alle Indizien zusammenzähle, dann ist ein traditioneller Adventskranz folgendermaßen aufgebaut:
- Die Basis bildet ein Donut ähnlicher Ring, der mit den grünen Zweigen eines Nadelbaums verkleidet ist.
- Auf der Oberseite des Kranzes sind vier identische Kerzen befestigt, die im gleichen Abstand zueinanderstehen. Die Lücken füllt ein edles Zierband, welches auch zu kleinen Schleifen gebunden werden kann.
- Die liturgische⁶ Farbe Weiß sollte auf der Adventsdeko dominieren. Eine rote Verzierung ist mit Bezug auf das Rauhe Haus im Jahre 1839 allerdings ebenfalls zulässig.
- Außerdem darf selbst ein klassischer Adventskranz mit braunen Kiefernzapfen und einheimischen Früchten dekoriert werden.
Demzufolge ist mein selbst gebastelter Adventskranz aus Papier nicht traditionell, was an der extravaganten Dekoration liegt. Schließlich bin ich eine dekadente Künstlerin, die Lebkuchen isst, wenn sie kein Brot mehr im Haus hat. Deshalb ließ ich es mir auch nicht nehmen, meine weihnachtliche Tischdekoration zusätzlich mit Orangenscheiben, Zimtstangen und kleinen Geschenken zu garnieren.
Mein prunkvoller Papierkranz hat einen Durchmesser von 30 Zentimetern und besteht aus zehn identischen Einzelteilen. Ein weiteres Highlight meiner Adventsdeko sind die Tannenzweige, die ich ebenfalls aus Papier nachgestellt habe. Gefällt Ihnen meine Kreation? Dann erfahren Sie in der folgenden Anleitung, wie Sie im Handumdrehen selbst zu einem nachhaltigen und nadelfreien Adventskranz kommen.
Adventskranz aus Papier basteln
Zum Anfertigen der ringförmigen Kranzbasis verwendete ich Tonkartonreste mit einer strammen Grammatur von 300 g/m². Das Ganze wickelte ich mit einem dunkelgrünen Krepppapier ein, welches über eine vierzig-prozentige Crepage verfügte. Hingegen die Tannenzweige stellte ich aus gewöhnlichem Tonpapier her. Dabei nahm ich zwei schicke Grüntöne zur Hilfe, damit der Adventskranz am Ende lebendiger wirkt. Für das äußere Finish kamen außerdem noch eine grüne Acrylfarbe und ein matter Acryllack zum Einsatz. Des Weiteren sollten Sie sich als Werkzeuge eine scharfe Schere, einen flüssigen Kleber, ein Falzbein samt Lineal und meine beiden DIN A4 Bastelschablonen (#1 / #2) zurechtlegen.
Bevor ich mit dem Basteln loslegte, druckte ich Schablone #1 erst einmal auf einen dicken DIN A4 Tonpapierbogen. Gleich danach schnitt ich die Vorlage frei, sodass ich einen Kegelpin mit drei Klebelaschen vor mir liegen hatte.
Dieses Schnittmuster fertigte ich mir dann wiederum zehnmal aus meinen stabilen Tonkartonresten an.
- Direkt im Anschluss falzte ich sämtliche Knicklinien und Klebelaschen mithilfe eines Falzbeins und eines Lineals.
- Gleich danach verklebte ich die zehn Kegelpins mit sich selbst zu identischen Kuchenstücken. Die drei unterschiedlich großen Laschen ließ ich bei jedem Baustein allerdings weiterhin wegstehen.
- Nach diesen kräftezehrenden Vorbereitungsschritten legte ich alle Einzelteile flach vor mich hin. Als Nächstes bestrich ich die breiteste Klebelasche eines Elements mit viel flüssigem Kleber.
- Daraufhin nahm ich ein weiteres Kuchenstück und drückte dieses auf den glitschigen Klebestreifen. Dabei musste die glatte Seite natürlich nach innen zeigen, sodass die beiden Bauteile so aussahen, als seien diese ineinander gesteckt worden.
Zu guter Letzt befestigte ich dann auch die beiden noch wegstehenden Klebelaschen des Mutterelements an der Außenseite des eben angesteckten Kuchenstücks.
Um nun einen wohlproportionierten Tonkartonkranz zu erzeugen, wiederholte ich die vorangegangenen Bastelschritte mit den restlichen Stücken. Hinweis: Das letzte Bauteil funktioniert dabei genauso wie der Schlussstein bei einer altrömischen Brücke. Dadurch wurde mein fertiges Adventskranzfundament auch so stabil, dass ich es sogar als Frisbee verwenden könnte.
Grüntöne entschleunigen die stressige Adventszeit
Als Nächstes wollte ich die scheckigen Tonkartonreste und die fiesen Klebelaschen verschwinden lassen. Aus diesem Grund nahm ich nun eine grüne Krepppapierrolle zur Hand und wickelte damit meinen Papierdonut einmal komplett ein.
Daraufhin hatte ich die robuste Adventskranzbasis auch schon fertiggestellt. Hinweis: Ein Strohrömer in dieser Größe kostet locker 8,00 Euro. Wie Sie sehen, lässt sich mit selbst gebastelter Adventsdeko richtig Geld sparen.
Im nächsten Bastelschritt kümmerte ich mich um meine Tannenzweigimitate. Dazu legte ich mir zunächst einmal Tonpapier in zwei unterschiedlichen Grüntönen bereit.
- Anschließend schnitt ich mir aus jeder Farbe 20 Streifen zurecht, die jeweils 70 Zentimeter lang und drei Zentimeter breit waren.
- Gleich danach verpasste ich meinen Tonpapierstreifen dünne Fransen. Dazu setzte ich waagerechte Einschnitte, die circa zwei Zentimeter tief waren, sodass stets eine ein Zentimeter breite Klebelasche unversehrt blieb.
Tipp: Um gleichmäßige Zweige zu bekommen und Zeit zu sparen, legte ich immer fünf Papierstreifen aufeinander, bevor ich mit dem Fransenschneiden begann.
Künstliche Tannenzweige aus Papier basteln
Nach der Vorbereitung legte ich einen der Streifen vor mich hin. Daraufhin bestrich ich die ein Zentimeter breite Lasche hinter den Fransen komplett mit flüssigem Kleber.
Nun drehte ich das Ganze schräg auf, sodass ich am Ende eine Stange erhielt, die komplett aus buschigen Papiertannennadeln bestand. Das Aufdrehen wiederholte ich anschließend auch mit den 39 restlichen Papierstreifen.
Tipp: Bevor ich meine zarten Zweigimitate daraufhin an der Kranzbasis fixierte, bemalte ich einzelne Nadeln noch mit dunkelgrüner Acrylfarbe. Durch diese simple Maßnahme entstehen vogelwilde Schattierungen, die den Papieradventskranz dynamischer aussehen lassen. Abschließend versiegelte ich meinen nadelfreien Weihnachtskranz noch mit einem matten Acryllack. Dieser sorgt nicht nur für einen leichten Glanz, sondern schützt die Tischdeko auch dauerhaft vor Feuchtigkeit.
Wann ist es Zeit für den Adventskranz?
Als der matte Acryllack nach circa sechs Stunden getrocknet war, begann ich damit mein grünes Adventskränzchen klassisch zu dekorieren. Zudem klebte ich vier süße Geschenke an die Zweige, die Sie mithilfe von Schablone #2 im Handumdrehen aus Tonpapier zusammenbauen können. Auch die eher untraditionelle Orangenverzierung stellte ich selbst her. Dazu ließ ich die 0,5 Zentimeter dicken Scheiben einer handelsüblichen Orange einfach zwei Tage lang auf einem Stück Backpapier trocknen. Wie Sie sehen, ist ausreichend Vorbereitungszeit beim Basteln eines schönen Adventskranzes das Allerwichtigste.
Apropos, wann kümmern Sie sich eigentlich um Ihren Adventskranz? Folgen Sie der allgemeinen Empfehlung⁷ und basteln oder kaufen Sie die weihnachtliche Deko auch erst Ende November? Also mir ist das ja viel zu spät. Manchmal fällt der erste Advent nämlich schon auf den 27. November, weshalb ich immer direkt nach dem Martinstag mit der jährlichen Weihnachtsbastelei beginne.
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¹Deutschmann, Anton: Der erste Adventskranz. youtube.com (11/2017).
²Mann van Velzen, Uwe: Das Rauhe Haus und der Adventskranz. Johann Hinrich Wichern als Erfinder. rauheshaus.de (11/2017).
³Ernst, Eugen: Weihnachten im Wandel der Zeiten. Ein Hausbuch für die Zeit vom 1. Advent bis zum Dreikönigstag. Stuttgart: Theiss 1998.
⁴Chalupka, Michael: Die Geschichte des Adventskranzes. youtube.com (11/2017).
⁵Braun, Silvia: Adventskränze und Gestecke. Stuttgart: Christophorus Verlag 2008.
⁶Gröneveld-Olthoff, Angelika: Das Kirchenjahr. gymnasium-kusel.de (PDF) (11/2017).
⁷Fischer, Ferdy: Advent und Weihnachten feiern mit Kindern. Gebundene Ausgabe. Ostfildern: Patmos Verlag 1996.
Lina sagt:
Echt krass 🙂 Ich konnte erst gar nicht glauben, dass der Adventskranz komplett aus Papier sein soll. Würde ich nie hinbekommen, wollte nur mal einen Like da lassen XOXO 😀 Lina
Kim Ziegler sagt:
Ui wirklich interessant! Ich dachte Adventskränze sind irgendwas Altgermanisches. Dein Kranz sieht wirklich toll aus, würde ich nie schaffen. Kaum zu glauben, dass der komplett aus Papier ist, sieht wie echt aus. Viele Grüße und danke fürs „Schlaumachen” 😀 Kim
Petra Geier sagt:
Wunderbar diese Bastelanleitung.
Ich bastel für mein Leben gerne und freue mich immer wieder über neue schöne „machbare” Bastelvorschläge.
Da ich eine Ehrenamtliche Mitarbeiterin in einem Pflegeheim bin, freue ich mich ganz besonders auf Dinge die durch Handarbeit entstehen.
Die Bewohner sind dann immer wieder begeistert über die Vielfalt von Bastelideen.
Vielen Dank, ich versuche diesen Kranz für das nächste Jahr zu basteln.
Lieber Gruß
Petra Geier