In Sachsen gab es im Laufe der Geschichte fast jede Form von Obrigkeit: Kurfürsten, Könige, Gauleiter der NSDAP, Sekretäre der SED-Bezirksleitungen und Ministerpräsidenten des Freistaats. Wirklich zufrieden waren die Menschen zwischen Elbe und Mulde nie. Zu den jüngeren Protestaktionen zählen die polarisierenden Pegida-Demonstrationen ab Herbst 2015, bei denen Dresdner Teilnehmer sogar symbolische Galgen für Angela Merkel und Sigmar Gabriel präsentierten.
Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling regte einen „Säxit” an, den Austritt Sachsens aus Bundesrepublik und EU.
Dietrich, Pauline: Galgen bei Pegida-Demo. lto.de (12/2025).
Unvergessen sind auch die sogenannten „Montagsspaziergänge“ während der COVID-19-Maßnahmen, bei denen sich vereinzelt auch Polizisten¹ mit den Demonstranten solidarisierten. Sachsen war also nie ein Land, das Autorität still hinnahm. Diese Haltung schlägt sich sogar in seiner Volkskunst nieder: Wilhelm Friedrich Füchtner, der bis heute als „Vater des modernen Nussknackers“ gilt, entwickelte um 1870 die erzgebirgischen Nussknacker in Gestalt von Königen, Soldaten und Beamten. Mit Krone, Pickelhaube oder Grünrock stellte Füchtner die Staatsdiener bewusst als grimmige und überhebliche Figuren dar, eine humorvolle Spitze gegen die Obrigkeit im Norddeutschen Bund während des Deutsch-Französischen Krieges.
ℹ️ In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Nussknacker oft als Spottfiguren² gedacht. Sie galten als humorvolle Form des Protests³ gegen übergriffige Obrigkeiten – denn die „Oberen“ sollten ruhig auch einmal die harten Nüsse des einfachen Volkes knacken.
Figürliche Nußknacker gab es nachweislich schon im 17. Jahrhundert, vermutlich sogar früher. Im sächsischen Erzgebirge geriet um 1670 die einst glanzvolle Montanwirtschaft ins Wanken: Die ertragreichen Silber- und Zinnvorkommen, die Freiberg, Annaberg oder Schneeberg jahrhundertelang lang reich gemacht hatten, waren weitgehend erschöpft.
Die Stollen wurden tiefer, die Förderung teurer, der Ertrag magerer. Für die Menschen, die seit Generationen vom Bergbau lebten, bedeutete das einen radikalen Einschnitt und die Notwendigkeit, sich neu zu orientieren.
ℹ️ Die ersten Silber- und Zinnfunde im heutigen Erzgebirge datieren ins 12. Jahrhundert. Als „Erzgebirge“ wird die Region jedoch erst seit dem 16. Jahrhundert⁴ bezeichnet.
Die Antwort lag buchstäblich vor ihrer Haustür: der Wald. Der dunkle, endlos wirkende Fichtenwald über den alten Zechen wurde zur neuen Lebensgrundlage.
Aus dem Rohstoff Holz entwickelte sich erst eine einfache Forst- und Holzwirtschaft, später das, wofür das Erzgebirge berühmt werden sollte: ein fein verzweigtes Drechsler- und Schnitzerhandwerk, das vom Löffel bis zur Laterne alles hervorbrachte, was sich aus einem Stück Holz drehen oder schnitzen ließ.
- Zu alltäglichen Dingen, wie Knöpfen, Spindeln, Weberschiffchen, Schüsseln, Löffeln und Tellern, gesellten sich bald Haushaltsgeräte, kleine Figuren und erste dekorative Objekte.
Der Nussknacker gehörte zu dieser frühen Produktpalette. Damals war er kein weihnachtlicher Zieroffizier, sondern vor allem ein praktischer Küchenhelfer, den jede Familie brauchte.
Bevor es eine industrielle Lebensmittelverarbeitung gab, wurden Nüsse und Mandeln grundsätzlich in harter Schale verkauft. Gerade zur Adventszeit, wenn Christstollen und Lebkuchen auf dem Plan standen, mussten die Frauen dafür große Mengen⁵ von Hand knacken. Ein stabiler Nussknacker war deshalb Gold wert, ein Werkzeug, das Arbeit abnahm, langlebig war und oft sogar weitervererbt wurde.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte im Erzgebirge eine regelrechte Serienproduktion⁶ von Nussbeißern unterschiedlichster Ausführung ein. Das deutet darauf hin, dass die erzgebirgischen Holzfiguren längst über die Grenzen Sachsens hinaus gefragt waren und ein wachsendes Publikum fanden.
ℹ️ Bereits um 1770 arbeiteten rund 100 Drechsler im Erzgebirge, die Holzspielzeug und praktische Alltagshelfer herstellten.
Den Weg in die vorindustrielle Popkultur fanden Nussknacker vor allem durch Jacob Grimm, der ihnen in seiner Abhandlung „Deutsche Mythologie“ einen schützenden, beinahe magischen Charakter zuschrieb. Vom praktischen Küchenhelfer über den Glücksbringer bis hin zur spöttischen Karikatur der Obrigkeit – so lässt sich die Entwicklung der Nussknacker bis in die Weimarer Republik treffend zusammenfassen.
Als Albert Füchtner in den 1930er-Jahren⁷ den bis heute ikonischen „Roten König“ schuf, wandelte sich das Erscheinungsbild endgültig hin zur festlichen Weihnachtsdekoration. Mit Anschaffungskosten von bis zu 500,00 Euro sind die handgefertigten Seiffener Originale heute vor allem begehrte Sammlerstücke und wohl niemand käme mehr auf die Idee, mit ihren kunstvollen Gebissen eine Walnuss zu knacken.
Wer nicht gleich ein kleines Vermögen ausgeben möchte, greift gern zu den günstigen Pressholz-Nussknackern vom chinesischen Online-Händler Temu. Allerdings kommen diese Figuren oft etwas schief daher und die Lieferzeit von Zhejiang nach Mitteleuropa kann sich über mehrere Wochen ziehen. Was also tun? Ganz einfach: selbst basteln! In der folgenden Bildanleitung zeige ich, wie sich hochwertige Nussknacker aus Papier herstellen lassen und stelle dafür sogar alle Schnittmuster kostenlos zur Verfügung.
📦 Maße: Der Nußknacker ist etwa 10 cm hoch (ohne Krone). Dank seiner markanten Schulterpartie bringt es die Weihnachtsfigur in der Breite auf stolze 8 cm.
Nussknacker basteln
Der Aufbau meines Papieroffiziers erinnert an ein geschirmtes Kabel, bei dem mehrere Ummantelungen für einen störungsfreien Betrieb sorgen. Der „Kabelkern“ bildet in meinem Fall die Papprolle, die im Inneren jeder Toilettenpapierrolle steckt. Doch bevor ich mich diesem stabilen Rohr widmete, fertigte ich zunächst die ersten drei Schichten mithilfe der ersten PDF-Schablone an.
Tonpapier mit einer Grammatur von 130 g/m² in Hautfarbe sowie Rot oder Grün, zwei Millimeter starkes Moosgummi zur Stabilisierung, weicher Bastelfilz in passenden Farben, weiße Watte, silberne Musterbeutelklammern⁸, Wackelaugen, goldenes Glitzerpulver und kleine Holzkugeln für die Hände (optional).
Als Erstes wickelte ich das große Tonpapierviereck um die Papprolle. Direkt danach folgte das etwas kleinere Moosgummistück. Beide Schichten dienen ausschließlich der Stabilität und verschwinden später unter dem Bastelfilz.
- Es ist also nicht schlimm, wenn diese Ummantelungen nicht ganz bündig aufgeklebt werden.
- Ganz im Gegensatz zum hautfarbenen Gesichtsband, das ich etwas oberhalb der Rollenmitte anbrachte.
Im Anschluss fanden auch schon die beiden Wackelaugen sowie ein wolliger Schnurrbart samt Nackenhaar ihren Weg auf die Figur.
Im nächsten Teil arbeitete ich mit der zweiten Schablone weiter. Zuerst klebte ich den flauschigen Filzmantel bündig unterhalb des Schnurrbarts fest. Beim Anbringen der Jacke ist es hilfreich, sich die Position der Nase vorzustellen und das Einwickeln der Rolle knapp darunter zu beginnen. Auf diese Weise treffen die beiden geschwungenen Mantelseiten später sauber und symmetrisch aufeinander.
- Unmittelbar danach befestigte ich die beiden Verschlüsse für den Zylinderdeckel, die ich aus einem kleinen Mix aus Filz und EVA-Schaumstoff gefertigt hatte.
Im folgenden Schritt wurde es filigraner, denn nun entstanden Gürtel, Ärmel, die Hutkrempe und die Schulterpolster. Hierzu fertigte ich die Schnittmuster aus Moosgummi an und bestrich sie anschließend mit flüssigem Kleber auf Wasserbasis.
Noch bevor der Kleber trocknete, ließ ich großzügig Goldpulver über die feuchten Oberflächen rieseln – ein Anblick, bei dem die Zierelemente sofort edel aufglimmten und dem kleinen Offizier seinen ersten Hauch festlicher Pracht verliehen.
Nachdem ich die beiden Mantelknöpfe (Musterbeutelklammern) und direkt darunter den goldenen Gürtel angebracht hatte, verkleidete ich den Zylinder mit Bastelfilz und einer glitzernden Krempe.
- Dann wurde es noch einmal fummelig, denn nun standen die beiden Arme an.
- Dafür drehte ich mir aus den Bastelvorlagen zwei kleine Röhrchen.
Der Durchmesser richtet sich ein wenig danach, wie groß die Holzkügelchen für die Hände ausfallen.
Natürlich erhielten auch die Extremitäten eine passende Filz- und Zierverkleidung, bevor ich alles am Nussknacker befestigte und die Figur damit vollendete.
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¹Meier, Jörn: „Corona-Spaziergang” in Pirna: Sächsischer Polizist aus Beamtendienst entfernt. mdr.de (12/2025).
²Rimpl, Jan: Nussknacker aus dem Erzgebirge. ARD Buffet (2023).
³Schuldt-Jensen: Maike: Wo kommt eigentlich der Nussknacker her? galaxus.ch (12/2025).
⁴Braukmüller, Heide: Vom Bergmann zum Spielzeugmacher. Zur Kultur- und Sozialgeschichte des deutschen Erzgebirges. bergbaumuseum.de (PDF) (12/2025).
⁵Fröhlich, Agnes: „Auf die Plätze, fertig, knack!“ – die Nussknacker-Devise. cazelmu.wordpress.com (12/2025).
⁶Schulz-Berg, Brigitte: Viel heidnisch Zeug. Das christliche Weihnachtsfest und seine Ursprünge in Kult und Brauchtum vergangener Zeiten. Cottbus: REGIA Verlag 2008.
⁷Sternkopf, Sylva: Nussknackersuite mal anders. resc.deskline.net (PDF) (12/2025).
⁸Vetter, Veronika Helga: Wofür sind Musterbeutelklammern und gibt es Alternativen? gws2.de (12/2025).
























