In vielen Kirchennischen des Abendlandes thront ein bärtiger Bischof, der andächtig auf eine Gans zu seinen Füßen blickt. „Das ist Sankt Martin”, denkt wohl jeder Christ, der bereits die Erstkommunion empfangen hat. Der populäre Mantelteiler schmunzelt vermutlich jedes Mal von seiner Wolke herab, wenn er solch eine Statue erblickt. Schließlich hatte der spätantike Gardist, Priester und Wunderheiler zu Lebzeiten kaum etwas mit den gefiederten Nutztieren zu tun. Natürlich mag Martinus als Abt von Ligugé Hausgänse für Fleisch und Federn gezüchtet haben. Das gehörte seinerzeit jedoch zu den Aufgaben eines jeden Haushalts, wobei sich die römische Bourgeoisie bei Bedarf ihre Speisegänse eher bei germanischen Händlern besorgte.
Die germanische Gänsezucht war ja sogar bei den römischen Feinschmeckern berühmt.
Miller, Thomas: Wie Sankt Martin auf die Gans kam. traunsteiner-tagblatt.de (11/2024).
Doch wie kam Sankt Martin zu seinem watschelnden Begleiter, der nun schon seit beinahe 1700 Jahren symbolisch an seiner Seite weilt? Die Geschichte vom berühmten Gänsestall, in dem sich der designierte Bischof von Tours anno 371 versteckt¹ haben soll, um der Weihe zu entgehen, kennt wohl jeder. Es stimmt, der gebürtige Ungar war keineswegs scharf auf ein hohes Kirchenamt, da er ein asketisches Leben in Zurückgezogenheit bevorzugte² und sich wenig für die administrativen Pflichten begeistern konnte. Zudem fiel ihm die Verständigung mit dem einfachen gallischen Volk³ nicht leicht. Dennoch war es mit Sicherheit nicht ein verräterisches Gänsegeschnatter, das Martinus auf den Bischofsstuhl beförderte.
Die allseits bekannte Gänselegende entstand erst im Frühmittelalter und diente vornehmlich dazu, die frisch bekehrten Franken⁴ christlich zu inspirieren. Germanische Stämme zelebrierten Anfang November eine Art Erntedankfest, bei dem sie Gänse zu Ehren Thors opferten. Dieses wohlgenährte Federvieh war dem göttlichen Hammerschwinger gerade recht, denn im Herbst sind Hausgänse besonders fett und - nicht zu vergessen - äußerst delikat.
Die Germanen hatten die Gans zu Ehren des Gottes Thor gefuttert. Und warum wird die Gans im Herbst verzehrt? Gans einfach: Sie ist ein Zugvogel, der vor dem Flug Energie tankt und tüchtig frisst. Eine Gewohnheit, die auch die flugunfähige Hausgans nicht vergessen hat.
Waldstein, Mella: Gans einfach gansheitlich. diepresse.com (11/2024).
Die Geschichte von einem kaiserlichen Gardisten, der nach 25 Jahren⁵ in der Legion plötzlich Verstecken spielen musste, war ein solcher Gassenhauer, dass sie es sogar in die barocke Dichtung geschafft hat. So schrieb Simon Dach⁶ im 17. Jahrhundert: „Wann der heilige Sankt Martin will der Bischofsehr’ entfliehn, sitzt er in dem Gänsestall, niemand findt ihn überall, bis der Gänse groß Geschrei seine Sucher ruft herbei.” Dabei denken nur wenige über die Folgen dieser Anekdote nach - schließlich legitimiert sie das alljährliche Ganslessen am 11. November.
Rund zehn Millionen Gänse landen zwischen November und Weihnachten auf deutschen Tellern.
Weik, Sarah: Oh du teure! In: ÖKO-TEST Nr. 12 (2022). S. 20.
So verlässlich wie das Festessen finden in der Kalenderwoche 45 die Laternenumzüge statt. Zuvor müssen Krippen, Krabbelstuben und Kindergärten selbstverständlich dem Anlass entsprechend geschmückt werden - eine Herausforderung sowohl für Erzieherinnen als auch für Eltern.
- Überlastete Betreuungsschlüssel, verursacht durch Krankheitsausfälle, viele Teilzeitkräfte oder allgemein zu wenig Personal, erschweren es den pädagogischen Fachkräften, ihre Einrichtungen passend für die Sankt-Martins-Feier vorzubereiten.
Gleichzeitig stehen auch die Eltern unter dem Druck verdichteter Arbeitsabläufe. Besonders Frauen, die häufig im Handel, im Gesundheitswesen oder bei Reinigungsdiensten beschäftigt sind, müssen ihren Lebensunterhalt zu Randzeiten sichern. Dadurch bleibt ihnen oft keine Möglichkeit, den Betreuungseinrichtungen unterstützend zur Seite zu stehen.
Obwohl Kita ein familienergänzendes Angebot sein soll, lassen uns die Eltern im Stich. Wenn ich Einladungen zum Laternenbasteln verschicke, ernte ich nur Spott und Häme.
Siller-Baldini, Alessia: Papiergans im Kindergarten basteln - St. Martin gefällt das. gws2.de (11/2024).
Das Sankt-Martins-Brauchtum ist ein uraltes christliches Kulturgut, das nicht dem ökonomischen Existenzdruck zum Opfer fallen darf. Deshalb habe ich eine Reihe von Schablonen entwickelt, mit denen sich Kindertagesstätten zum 11. November stimmungsvoll dekorieren lassen. Im Zentrum steht ein 10,5 Zentimeter großer Legionär mit rotem Mantel, der eine Gans liebevoll in den Armen trägt.
- Dabei muss das Chlamys des Martin von Tours lediglich nach vorne gebogen und an den Händen fixiert werden - schon steht die Heiligenfigur von selbst.
- Hingegen sein schnatternder Begleiter findet kunstvoll in den Armen des ehemaligen „Germanenschrecks” Platz, wodurch es aussieht, als würde der fröhliche Soldat zärtlich eine Gans umarmen.
Zusätzlich gibt es beide Figuren sowohl in schwarz-weiß zum Ausmalen als auch fertig koloriert - ideal für Last-Minute-Dekorateure!
St. Martin basteln
Zur Anfertigung eines spätantiken Soldaten mit Heiligenschein und Gans ist vor allem die Wahl des Papiers entscheidend, auf das die PDF-Vorlagen gedruckt werden. Gewöhnliches DIN-A4-Kopierpapier ist gänzlich ungeeignet. Stattdessen empfiehlt sich ein weißer Fotokarton mit einer Stärke von 100 bis 120 g/m².
Sobald die Schablonen ausgedruckt und ausgeschnitten sind, wird die Rückseite von Sankt Martin - samt Mantel und Legionärsgürtel - passgenau mit der weißen Vorderseite voraus auf die hintere Soldaten-Silhouette geklebt. Im Anschluss daran lassen sich die beiden Gänseprofile im goldenen Gras nach dem gleichen Prinzip zusammenbauen.
- Nachdem aus den vier Einzelteilen zwei beidseitig bedruckte Figuren entstanden sind, bietet es sich an, die noch flachen Dekoelemente in Thermofolien zu legen und anschließend zu laminieren.
Andernfalls ist es jetzt an der Zeit, den zweidimensionalen Sankt Martin mitsamt seinem Begleiter zum Stehen zu bringen. Dafür müssen lediglich die Arme des Gardisten gleichzeitig aufeinander zugezogen und seine Hände nach dem Überlappen miteinander verklebt werden.
Die beiden Grasenden werden hingegen wie ein Stirnband nach hinten gefaltet und nach dem Übereinanderlegen fixiert. Anschließend lässt sich der kleinere Gänsekreis behutsam in die Arme des heiligen Martin schieben, sodass es wirkt, als trage der römische Soldat seinen gefiederten Gefährten auf einen Spaziergang.
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¹Kunter, Katharina & Evi Gasser: Weihnachtszeit, du schöne Zeit. Feste und Bräuche von Sankt Martin bis Heilige Drei Könige. Stuttgart: Gabriel | Thienemann Verlage 2023.
²Stadtfeld, Sabine & Ute Thönissen: Sankt Martin. Die schönsten Geschichten für Kinder erzählt. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder 2012.
³Vetter, Veronika Helga: Sankt Martin zum Ausmalen - historische Rätselspiele für Kinder. gws2.de (11/2024).
⁴Radestock, Klaus: Weihnachtsgans Auguste. In: Waldbote Nr. 59 (1995). radestock.waldbote.de (PDF) (11/2024).
⁵Stühlmeyer, Barbara: Ein Mann und sein Mantel. 1700 Jahre Martin von Tours. In: Karfunkel Nr. 126 (2016). S. 21.
⁶Vossen, Carl: Sankt Martin. Sein Leben und Fortwirken in Gesinnung, Brauchtum und Kunst. Düsseldorf: Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft 1975.