Nachdem sein seliger Vater das Reinheitsgebot erlassen hatte, setzte Bayernherzog Albrecht V. im Jahre 1553¹ das Sommerbrauverbot für Braunbiere durch. Mit dieser Maßnahme wollte der Renaissancefürst die Qualität untergäriger Hopfengetränke in seinem Reich hochhalten, da derartige Sorten nur bei kühlen Temperaturen bis neun Grad Celsius² optimal reifen. Unbenutzte Sudkessel zwischen April und September führten unterhalb des Weißwurstäquators aber interessanterweise nicht zu Aufständen, was zum einen daran lag, dass die Bajuwaren zu jener Zeit noch Weintrinker³ waren. Zum anderen stellte jede Hausfrau das ganze Jahr über ein Dünnbier für private Zwecke⁴ her, was täglich von der ganzen Familie konsumiert wurde.
Gleichzeitig stammte Bier traditionell aus Frauenhand. Bis ins 19. Jahrhundert hinein gehörte ein Braukessel zur Aussteuer.
Imgrund, Bernd: Das Glück am Tresen. In: G/Geschichte Nr. 2 (2021). S. 73.
Darüber hinaus musste trotz der landesherrlichen Einschränkung niemand auf ein kräftiges Münchner Helles verzichten. Sowohl Bürger- wie auch Klosterbrauereien lagerten ihr Märzenbier nämlich den Sommer über in tiefen Felsenkellern ein, die sich oftmals außerhalb der Stadtmauern befanden und in denen bevorratetes Natureis für die richtige Temperatur sorgte. Zudem waren die Katakomben sowohl unter Kies wie auch unter Kastanienbäume versteckt, welche die Sonnenstrahlen vom Boden fernhielten.
Grundsätzlich wurde aus den Eiskellern die umliegende Gastronomie beliefert, da die Brauereien eigentlich kein Bier ausschenken durften. Wer aber mit eigenem Trinkgeschirr vorbeikam, der konnte einen Rillenkrug gefüllt mit 1069 Millilitern⁵ Gerstensaft für zwei Pfennige erwerben.
Bis in die 1590er-Jahre war es üblich, den gehaltvollen Gerstensaft in Karaffen zu servieren, aus denen sich die Gäste selbst in römerglasähnliche Tongefäße einschenkten. Mancherorts teilten sich frohsinnige Saufkumpanen auch einen voluminösen Vierpassbecher, der direkt zum Mund geführt wurde.
- Einen handlichen Bierkrug bekam jeder Wirtshausbesucher jedoch erst, als das grau-blaue Westerwälder Steinzeug das Heilige Römische Reich erobert hatte.
- Dabei wirkten die damals neuartigen Keramikgefäße isolierend, wodurch das Gebräu länger kühl blieb. Außerdem konnte die Kohlensäure schlechter aus derartigen Behältnissen entweichen, was wohl am hohen Salzgehalt der Irdenware lag.
Ferner bekamen Zunftmitglieder, Beamte oder geistliche Würdenträger reich verzierte Steinkrüge mit Zinndeckeln von den Gastronomen verliehen, die gleichzeitig als Tresendekoration dienten, solange sie auf ihre Besitzer warteten.
Wo der Krug heute Massenware ist, galt er damals als individuelles Statussymbol, das von der Persönlichkeit des Besitzers zeugte.
Scholz, Julia & Max Böhm: Der Bierkrug. ingolstadt.de (07/2022).
Nachdem Napoleon Bonaparte das Kurfürstentum Bayern zum Königreich erhoben hatte, herrschte in der Isarmetropole großer Reformeifer. So schaffte Max I. Joseph am 28. Februar 1809⁶ die 93 gültigen Hohlmaße für Flüssigkeiten ab. Gleichzeitig sollte für den Ausschank und die staatliche Bierpreisfestsetzung nur noch die Münchner Maßkanne eine Rolle spielen, die 1,069 Liter fasste.
Den Behörden standen geeichte Maßgefäße mit der Aufschrift „BAIER.MAAS” zur Verfügung, mit denen unter anderem die Schankgefäße kontrolliert wurden. Diese Maßgefäße waren so häufig im Einsatz, dass sich der Begriff auf die Maß Bier und den Maßkrug übertrug.
Bier. Macht. München. 500 Jahre Münchner Reinheitsgebot in Bayern. Hrsg. von Ursula Eymold. München: Süddeutsche Zeitung Edition 2015.
Drei Jahre später legalisierte⁷ der Bayernkönig auch die Biergärten, die sich längst über den Eiskellern etabliert hatten. Wer unter freiem Himmel „Bringst mia oane!” murmelte, der bekam von der offenblusigen Kellnerin einen Keferloher vor sich hingeknallt. Das war ein preiswerter Steinzeug-Bierkrug mit Salzglasur, der seit dem Jahre 1800 von Westerwälder Auswanderern in Oberbayern hergestellt wurde.
So entwickelte sich im Königreich aus dem Westerwälder Humpen der bayerische Steinzeug-Maßkrug. Und dieser hatte deutliche Unterschiede. Die Krugwand zieht kurz vor dem Rand nach Innen ein und die im Westerwald häufig aufgebrachten Kniebis- und Redverzierungen fallen weg.
Decker, Julian: Zum Tag des Bieres: Woher kommt eigentlich der Maßkrug? itv-grabungen.de (07/2022).
Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs beugte sich der Märchenkönig den Wünschen Berlins und reduzierte die bayerische Maß auf den preußischen Liter, der ein Volumen von 1000 Kubikzentimetern fasste. Die Umstellung bedeutete das Ende⁸ des heimischen Keferlohers, da die neu genormten Bierkrüge durch die Industrialisierung kostengünstig aus dem Kannenbäckerland importiert werden konnten.
Anfangs führte der Ein-Liter-Maßkrug in der bajuwarischen Bevölkerung zu großen Irritationen. Denn obwohl das Tönnchen weniger Flüssigkeit enthielt, war es aufgrund einer drei Zentimeter hohen Schaumbremse voluminöser als sein Vorgänger.
- Des Weiteren wurden die bayerischen Gehirne jahrhundertelang auf 1069 Milliliter konditioniert, weshalb nun das Unken über schlechtes Einschenken⁹ begann.
- Doch bereits im Jahre 1892 beugten manche Oktoberfestwirte dem Gerede vor, indem sie sukzessive Glaskrüge einführten.
Dabei stellte sich durch den Wechsel auf transparente Trinkgefäße eine Win-win-Situation ein. Für die Gäste boten die durchsichtigen Behältnisse eine Kontrollmöglichkeit und den Gastronomen brachten sie wirtschaftliche Vorteile. Schließlich sahen die Kellnerinnen plötzlich, wann eine Maß Bier zur Neige ging, wodurch die vollbusigen Schankmaiden schneller zum Weitertrinken animieren konnten.
Florian Dering: Der Nachteil beim Keferloher ist, dass der Gast selber nicht weiß, wie viel Bier drin ist und die Kellnerin nicht sieht, wann der Maßkrug leer ist.
Allmeier, Robert: Oide Wiesn - Geschichte des Keferloher Maßkruges. youtube.com (07/2022).
Doch der weiß-blaue Freistaat würde nicht als religiös-konservativ gelten, wenn es nicht noch mehrere Generationen gedauert hätte, ehe der Steinzeug-Bierkrug endgültig¹⁰ aus den Wirtshäusern verschwand. Zudem war es bis in die 1960er-Jahre hinein zwischen Main und Inn noch üblich, dass der Bub mit einem keramischen Erbstück zum Gassenausschank¹¹ ging und seinem Vater eine frisch gezapfte Maß nach Hause brachte.
Heute sieht es so aus, als wollten die Deutschen ewig leben und arbeiten. Denn obwohl die Bayern ein konstant hohes Niveau halten, geht der Bierkonsum in der Bundesrepublik seit Jahren zurück. Traurig aber wahr: Selbst die Menschen in meiner österreichischen Wahlheimat trinken mittlerweile mehr Gerstensaft als ihr westlicher Nachbar. Und hierzulande sind die Hopfenbrausen widerlich süß, besitzen zu wenig Kohlensäure und werden vorwiegend in pfandfreie Dosen abgefüllt.
Dennoch rangiert Deutschland europaweit noch auf Platz drei. Nur die beiden Nachbarländer Tschechien und Österreich haben einen höheren Pro-Kopf-Konsum.
Scheidecker, Kerstin: Bier in Zahlen. In: ÖKO-TEST Nr. 6 (2022). S. 26.
Um den guten alten Zeiten zu gedenken, als jährlich noch 130 Liter Helles in den Durchschnittsbayern flossen, habe ich einen Steinzeug-Humpen aus Papier entwickelt.
- Dabei verkörpert mein Ritualgefäß einen halben Maßkrug, welcher eine Höhe von 15,5 Zentimetern sowie einen Durchmesser von 75 Millimetern aufweist.
- Des Weiteren besitzt der Keferloher nicht nur einen handlichen Henkel, sondern am oberen Ende sogar einen nach innen gewölbten Rand.
- Die größte Besonderheit des Tönnchens ist jedoch eine Schaumkrone, die zugleich als Deckel fungiert.
Wer also eine außergewöhnliche Geschenkverpackung für echte Männer sucht, die sich obendrein noch verschließen lässt, der sollte meinen historischen Bierkrug nachbasteln. Hierfür sind lediglich meine Schnittmuster vonnöten, die ich in der folgenden Bildanleitung kostenlos zur Verfügung stelle.
Die Vorbereitung
Für die Herstellung des Trinkbechers nahm ich einen Fotokarton mit einer Grammatur von 300 g/m² zur Hilfe, der auf der Innenseite mit Dunilin-Servietten ausstaffiert wurde. Hingegen die Henkelbasis stellte ich aus einem stabilen Versandkarton her, den ich von einer Online-Bestellung übrig hatte. Des Weiteren baute ich nicht nur die Ummantelung des Bierkrugs, sondern ebenfalls die Schaumkrone aus handelsüblichem Tonpapier zusammen. Darüber hinaus erzeugte ich eine raue Steinoptik, indem ich die Außenfassade komplett mit Bimsmörtel¹² verkleidete. Ferner kamen als Werkzeuge eine Schere, ein Flüssigkleber, ein Holzspachtel, ein Falzbein samt Lineal sowie meine PDF-Schnittmuster zum Einsatz.
Nachdem ich alle sechs Schablonen ausgedruckt hatte, stellte ich die Vordrucke auf den ersten beiden DIN-A4-Seiten frei. Direkt im Anschluss klebte ich die kastenförmigen Einzelteile mithilfe von Malerkrepp an der Markierung A aneinander, wodurch eine längliche Bastelvorlage entstand, von der ich wiederum Kopien aus den folgenden drei Materialien anfertigte:
- 1x Tonpapier (130 g/m²).
- 1x Fotokarton (300 g/m²).
- 1x Dunilin-Serviette.
Aus den identischen Modulen baute ich dann ein mehrlagiges Zellstoffsandwich, in dessen Mitte die dicke Kartonage thronte. Unmittelbar danach rollte ich das stramme Werkstück zu einer Röhre, bei der die Tonpapierseite nach Außen zeigte.
Den Zylinder musste ich dann nur noch mit Wäscheklammern fixieren, ehe ich mit den Bodenplatten weitermachen konnte.
Das Trinkgefäß
Die Produktion des Unterbaus startete damit, dass ich als Erstes die beiden Kreise von der dritten Schablone freistellte. Im nächsten Schritt bastelte ich mithilfe der Vorlagen zwei Oblaten, die sich folgendermaßen zusammensetzten:
- 1x Dunilin-Serviette + 1x Fotokarton (300 g/m²).
- 1x Tonpapier (130 g/m²).
Im Anschluss daran öffnete ich die vorgeformte Röhre wieder. Nun musste ich die dreilagige Gefäßwand mit der dickeren Bodenplatte verbinden. Hierfür umschloss ich den Doppelkreis mit den Zacken, die ich zuvor mit Flüssigkleber benetzt hatte. Bei dieser mühseligen Arbeit achtete ich natürlich darauf, dass die weichen Seiten alle in den Innenraum zeigten.
Zu guter Letzt kaschierte ich die unschönen Verschlussspitzen, indem ich die Außenfassade des Tonnenbodens mit der übrig gebliebenen Tonpapierplatte verkleidete.
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, wird der bayerische Keferloher nach oben hin schmäler. Um diese Verengung nachzubilden, bestrich ich die rechte Seite einer freigeschnittenen Kopflasche mit Kleber. Danach zog ich das Nachbarelement auf die feuchte Stelle und fixierte die Überlappung mit einer Wäscheklammer.
Dann wiederholte ich die vorangegangenen Schritte so lange, bis die gesamte Bierkrugöffnung gleichmäßig nach innen gewölbt war.
Der Henkel und die Steinoptik
Als Nächstes bastelte ich mithilfe der vierten Schablone den Griff des Behältnisses. Dazu stellte ich zunächst einmal fünf hufeisenförmige Kartonagen her, die ich symmetrisch aufeinanderklebte. Direkt im Anschluss packte ich den Trickfilmmagneten mit den vier restlichen Fotokartonelementen ein.
Nun brachte ich den Henkel so an, dass dessen Unterseite einen Abstand von circa 1,5 Zentimeter zum Boden aufwies. Hierfür hatte ich zwei Optionen:
- Im Prinzip würde es ausreichen, den Halter einfach über die Klebelaschen an der Außenfassade zu befestigen, da das Gefäß ohnehin eine Bimsmörtelverkleidung erhält.
- Um das künstlerische Niveau hochzuhalten, entschied ich mich jedoch dazu, das Tönnchen nach dieser Skizze mit einem Hobbyskalpell einzuschneiden, damit ich den Griff im Behältnis verankern konnte.
Der Henkelkrug war dann auch das erste, das ich mit der Strukturpaste verspachtelte. Im Anschluss daran trug ich die Masse gleichmäßig auf die restliche Kannenoberfläche auf, wobei ich die Bodenplatte aussparte.
Nachdem der Bimsmörtel die Geschenkverpackung ummantelte, stellte ich das Ganze für 30 Minuten zum Trocknen, ehe ich den Außenputz mit einem Schleifpapier weiter in Form brachte.
Wiederverschließbares Männergeschenk
Im nächsten Arbeitsschritt begann ich damit, den herunterlaufenden Schaum zu basteln, indem ich das Schnittmuster von der fünften Schablone sowohl auf Fotokarton wie auch auf Tonpapier übertrug. Bevor ich daraufhin immer zwei materialfremde Module aufeinanderklebte, prägte ich Kreise auf die dünneren Außenfassaden, die gasförmige Bläschen symbolisieren sollten. Hierfür nahm ich meine Sizzix Big Shot Maschine zur Hilfe.
Nachdem ich dann sämtliche Knicklinien mit einem Falzbein vorgefaltet hatte, ging ich wie bei der Verengung des Gefäßrandes vor. Das heißt, dass ich die beweglichen Abstände zwischen den burgmauerähnlichen Zacken durch Zusammenraffen eliminierte, wodurch selbststehende Halbkreise entstanden.
Direkt im Anschluss verwandelte ich die beiden doppellagigen Einzelteile in eine runde Krone, deren innere Öffnung ich mit einer Platte verschloss, die ich zuvor mithilfe der sechsten Schablone angefertigt hatte.
Um die Geschenkverpackung dann endgültig fertigzustellen, musste ich den Deckel nur noch auf den Maßkrug setzen und die Oberseite des Verschlusses mit dem übrig gebliebenen Kreis verkleiden.
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¹Behmer, Katharina: Unter Kastanien - Der Biergarten. In: G/Geschichte Porträt Nr. 4 (2020) S. 56.
²Dadelsen, Bernhard von: Bier - Eine Weltgeschichte. Terra X | ZDF (2016).
³Gattinger, Karl: Vom Weinland zum Bierland. Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Biers in Bayern. In: Bier in Bayern. Hrsg. von Rainhard Riepertinger, Evamaria Brockhoff u. a. Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2016. S. 67.
⁴Paczensky, Gert von & Anna Dünnebier: Leere Töpfe, volle Töpfe. Die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens. München: Albrecht Knaus Verlag GmbH 1994.
⁵Hirschfelder, Gunther & Manuel Trummer: Bier. Eine Geschichte von der Steinzeit bis heute. Darmstadt: Konrad Theiss Verlag 2016.
⁶Wallerus, Heinz: Maßkrüge - Zeichen der Vereinheitlichung der Maß- und Gewichtseinheiten im 19. Jahrhundert. hdbg.eu (07/2022).
⁷Clavius-Gymnasium Bamberg: Vor dem Bier sind alle gleich. Wir sind Bayern | BR (2018).
⁸Bußjäger, Johannes: Der Keferloher - der Urkrug der Bayern. keferloher-montag.de (07/2022).
⁹Veiz, Brigitte: Das Oktoberfest - Masse, Rausch und Ritual. Sozialpsychologische Betrachtungen eines Phänomens. Gießen: Psychosozial-Verlag 2006.
¹⁰Schubert, Andreas: Bierkrug-Ausstellung - Wegwerfware wird Kulturgut. sz.de (07/2022).
¹¹Krafft, Sybille: Damals: Rund ums Bier. Unter unserem Himmel | BR (2016).
¹²LUKAS Strukturpaste Bimsmörtel (grau-beige).