Im Dezember 1843¹ erzeugte Friedrich Gottlob Keller mithilfe einer selbst gebauten Schleifmaschine einen Holzfaserbrei, der sich für die mechanische Papierherstellung eignete. Mit dieser profanen Zellstoffmasse löste der sächsische Webermeister eines der dringendsten Probleme seiner Zeit. Denn seit Ulman Stromer im Jahre 1390 die erste deutsche Papiermühle in Nürnberg² in Betrieb genommen hatte, schrieben die Menschen hierzulande hauptsächlich auf Hadernpapier. Dieser alterungsbeständige Beschreibstoff war eigentlich sehr preiswert, da er lediglich aus Wasser und aus Alttextilfasern bestand. Im 18. Jahrhundert³ stieg der Preis für frische Schriftträger jedoch immer stärker an, was daran lag, dass die Lieferkapazitäten der Lumpenhändler ausgereizt waren. Aufgrund des konstanten Rohstoffmangels konnten die Produzenten die stetig steigende Papiernachfrage nicht mehr befriedigen, wodurch Bücher und Dokumente zu kostspieligen Luxusgütern wurden.
Da auch die preußischen Papiermühlen stark unter Mangel an Lumpen litten, erließ Friedrich der Große im Jahre 1764 ein „Geschärftes Edikt” gegen die Ausfuhr von Lumpen [...].
Sandermann, Wilhelm: Die Kulturgeschichte des Papiers. Berlin: Springer-Verlag 1988.
Erst als das moderne Holzschnittpapier von Friedrich Gottlob Keller den Markt eroberte, entspannte sich die Lage wieder.
Denn durch den Umstand, dass für die Papierherstellung keine Alttextilien mehr nötig waren, konnten Beschreibstoffe endlich auch in großen Mengen produziert werden, wodurch Druck-Erzeugnisse und Schulhefte für jedermann erschwinglich wurden.
Die neuartigen Schreibunterlagen des findigen Wundersachsens hatten im Vergleich zum altbewährten Hadernpapier jedoch einen großen Nachteil: Der auf Holz basierende Vliesstoff vergilbte, sobald er mit direktem Sonnenlicht in Berührung kam. Das lag an dem Lignin, welches als verhärtendes Stützmaterial in den meisten Pflanzenfasern vorkommt. Diese unsichtbare harzhaltige Substanz verfärbt sich nämlich braun, wenn sie von UV-Strahlung und Sauerstoff abgebaut wird.
Zum Glück bestehen unsere heutigen grafischen Papiere aus Sulfatzellstoff⁴ und können deshalb nicht mehr vergilben. Bei diesem Ausgangsmaterial wurde das bräunende Lignin mithilfe von Natronlauge aus den Holzfasern herausgetrennt. Außerdem wird der hochindustriell hergestellte Papierbrei vor dem Trocknen mit Kreide⁵ ergänzt und mit Wasserstoffperoxid gebleicht, sodass moderne Beschreibstoffe mindestens 50 Jahre⁶ lang blütenweiß bleiben. Wer schon früher einen Schreibuntergrund mit einer antiquierten Optik benötigt, der muss nicht auf dem Dachboden seiner Oma nach alten Liebesbriefen suchen. Mit simplen Hausmitteln ist es nämlich möglich, selbst fabrikneues Druckerpapier in kürzester Zeit alt aussehen zu lassen.
Liebe Frau Vetter! Ich werde im August 50 Jahre alt und möchte für diesen Anlass Einladungskarten verschicken, die wie mittelalterliche Siegelbriefe aussehen. Nun benötige ich dringend eine funktionierende Technik, mithilfe dieser ich weißen Fotokarton künstlich altern lassen kann. [...] Die meisten Bastelwebseiten empfehlen, dass man das Papier erst in Zitronensaft tauchen und anschließend mit dem Bügeleisen trocknen soll. Das habe ich ausprobiert. Danach hatte ich einen hellgelben Papierbogen mit dunkelbraunen Flecken! Außerdem ließ sich das gepunktete „Kunstwerk” wegen der Zitronensäure nicht mehr richtig beschreiben. [...] Könnten Sie mir bitte verraten, wie ich zu meinen selbst gebastelten Vintage Einladungskarten komme?
Riedle, Petra: Möchte Vintage Papier selber machen. Benötige Unterstützung. E-Mail vom 29.06.2018.
Wenn wir von mittelalterlichem Papier sprechen, dann meinen wir eigentlich Pergament. Derartige Schriftträger wurden seinerzeit aus Tierhäuten hergestellt und hatten ein honiggelbes Äußeres.
Die Herstellung des Pergaments war verhältnismäßig einfach. Nachdem die Tierhäute einige Tage in Kalkbrühe gelegen hatten, wurden Haare, Oberseite und Fleischseite abgeschabt [...].
Sandermann, Wilhelm: Die Kulturgeschichte des Papiers. Berlin: Springer-Verlag 1988.
Ein weißes Papierstück lässt sich visuell in Pergament verwandeln, indem es in aufgebrühtem Filterkaffee gebadet wird. Beim Rösten der Kaffeebohnen entstehen nämlich sogenannte Melanoidine⁷, die später im Heißgetränk schwimmen und nur darauf warten, sich im eingetauchten Zellstoff festsetzen zu können. Dabei färben die schwarzen organischen Verbindungen die gebleichten Fasern, wodurch ein wunderschöner Karamellton auf der Papieroberfläche entsteht.
Papier mit Sepiafilter überziehen
Um Ihnen zu beweisen, wie gut die Koloration mit Filterkaffee funktioniert, habe ich zwei altrömische Seekarten aus unterschiedlichen Papieren gebastelt. Dabei zeichnete ich meine Szenerien bereits vor dem Einfärben auf. Schließlich wollte ich, dass sich auch die von mir verwendeten Acrylfarben mit den alt machenden Melanoidinen vermischen.
Die folgenden Papiersorten dienten als Schriftträger für meine Seekarten:
- Weißes Tonpapier mit einer Grammatur von 130 g/m², welches aus Frischzellulose gefertigt wurde. Aufgrund der Tatsache, dass dieses preiswerte Bastelpapier über eine raue Oberflächenstruktur verfügt, können die Melanoidine sehr gut haften, wodurch sich dieser Beschreibstoff gleichmäßig einfärben lässt.
- Elefantenhaut in der Farbe Hellelfenbein mit einer Grammatur von 110 g/m². Dieses beschichtete Gestaltungspapier hat von Haus aus eine Maserung, die durch das Kaffeebad noch besser zur Geltung kommt.
Nachdem ich meine Szenerien auf die beiden Untergründe aufgezeichnet hatte, nahm ich eine Schere zur Hand, um damit meine Seekarten mit einem büttenartigen Papierrand verzieren zu können.
Kaffee lässt Papier künstlich altern
Im nächsten Schritt goss ich 250 Milliliter lauwarmen Filterkaffee in eine große Auflaufform. Das Heißgetränk hatte ich zuvor aus 50 Gramm Röstkaffeepulver zubereitet, welches zu 100% aus Arabica-Bohnen bestand.
Hinweis: Mittelalterliches Pergament war nicht gleichmäßig gefärbt. Stattdessen befanden sich auf jedem Bogen einzelne Stellen, die etwas dunkler als der honigbraune Grundton waren.
- Um diesen Effekt nachzustellen, tunkte ich nun ein Schwämmchen in den flüssigen Muntermacher, sodass ich daraufhin mit diesem vollgesogenen Werkzeug kleine Akzente auf meinen Seekarten setzen konnte.
Nachdem die karamellfarbenen Reizpunkte dann nach ungefähr zehn Minuten getrocknet waren, legte ich meine erste Szenerie sanft in die mit Kaffee befüllte Auflaufform.
Gleich darauf tauchte ich meinen Schreibuntergrund tief in das trübe Heißgetränk ein und ließ das Ganze daraufhin fünf Minuten lang ziehen.
Backofenhitze fördert den Vintage-Effekt
Im nächsten Schritt nahm ich meine Seekarte aus der Auflaufform und ließ diese kurz abtropfen. Danach bettete ich mein von Kaffee durchtränktes Kunstwerk auf einigen ausgelegten Küchenkreppblättern.
Nachdem das eingefärbte Papier die meiste Flüssigkeit an den aufsaugenden Untergrund abgegeben hatte, gab ich meine Seekarte fünf Minuten lang bei 100 Grad Celsius in den Backofen.
- Während dieses Exemplar trocknete, wiederholte ich die vorangegangenen Schritte mit meiner zweiten Szenerie.
Tipp: Als meine alt gemachten Dokumente nach dem Backen vor mir lagen, stellte ich fest, dass die Oberflächen von beiden Papiersorten sehr hart und spröde waren. Um dies zu ändern, strich ich die Vorderseiten meiner Seekarten ganz zum Schluss noch mit einem matten Acryllack ein.
Außerdem musste ich meine Szenerien nach dem Versiegeln glätten. Denn durch die ganzen Strapazen sahen meine Pergamentimitate wie gewölbte Schiffssegel aus. Also zwängte ich meine antiquierten Papiere noch für 24 Stunden unter eine schwere Glasplatte. Daraufhin waren meine Karten so flach, dass sie selbst bei stürmischer See stets ruhig auf dem Navigationstisch liegen bleiben.
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¹Niggemann
, Elisabeth: Friedrich Gottlob Keller. Der Erfinder des modernen Papiers. mediengeschichte.dnb.de (07/2018).
²Toplak, Tanja: Ulman Stromer machte aus Lumpen Papier. nordbayern.de (07/2018).
³Schuberth, Heinrich: Geschichte der ältesten Papiermühle des Markgrafentums Ansbach-Bayreuth zu Moschendorf. Hof: Selbstverlag 1936.
⁴Nolle, Monika & Agnes Dieckmann: Papier hat viele Seiten. Dokumentation einer Projektwoche und Arbeitsmaterialien für den Unterricht. 2. überarbeitete Auflage. Bielefeld: ARA e. V. 2004.
⁵So wächst das Klopapier. Wie Dinge aus Papier entstehen. Hrsg. von Velber Verlag. Freiburg im Breisgau: Family Media GmbH & Co. KG 2007 (=„Schauen und Staunen” Bd. 9).
⁶Reclams Sachlexikon des Buches: Von der Handschrift zum E-Book. Hrsg. von Ursula Rautenberg. Vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Phillip Reclam jun. GmbH & Co. KG 2015.
⁷Nieber, Karen: Schwarz und stark. Wie Kaffee die Gesundheit fördert. Stuttgart: S. Hirzel Verlag 2013.
Johanna Dina sagt:
Hey, ich hatte dieselbe Idee wie die Frau aus der E-Mail. Daher kaufte ich mir „Antikpapier”, was sich aber mit einem Tintenfiller nicht gut beschreiben ließ. Jetzt möchte ich deine Technik ausprobieren, weil mir deine Landkarten sehr gut gefallen. Was meinst du, wie würde Bristol-Karton aussehen? Ich möchte ein hochwertiges Papier für meine Einladungskarten verwenden, weiß aber nicht, welches ich bestellen soll.
Helpdesk sagt:
Für dein Anliegen empfehlen wir dir Elefantenhaut „Hellelfenbein”. Bristol-Karton ist zum einen mindestens 300 g/m² dick und zum anderen hellweiß. Dementsprechend würde das Papier nach der obigen Anleitung lediglich zitronengelb werden. Wichtig: Deine Karten vor dem Kaffeebad beschreiben!
Wenn du das Papier mit einem Tintenfiller beschreiben möchtest, dann verwende wasserfeste Tinte. Die günstigste Lösung, die aber gut funktioniert, wäre SUPER5 Ink.
Viel Erfolg!
DaniMi
Oma Liz (Hagen) sagt:
Guten Tag ihr Lieben, eine wirklich wunderbare Basteltechnik. Heute Morgen habe ich einige Bilder von meiner Enkelin in Kaffee gebadet und das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. Wir sind beide begeistert. Werden am heutigen Nachmittag noch ein wenig experimentieren. Viele Grüße aus NRW senden Elisabeth und Lena Jung.
Die_Vanni sagt:
Hi Vroni! Die Technik ist der Hammer! Ich habe eine Schatzkarte mit Grafitkreiden gezeichnet und lange überlegt, wie ich das Papier altern lassen kann. Kurz gesucht, auf deine Seite gekommen und was soll ich sagen, deine Kaffeetechnik hat super funktioniert! Vielen lieben Dank, du hast jemanden sehr glücklich gemacht 🙂
Kassandra sagt:
Ein erstklassiger Künstlertipp, der auch bei mir funktioniert hat! Danke *Daumen hoch* Ich zeichne zurzeit historische Albträume und da kann ich einen „Vintage Papier Look” immer mal gebrauchen.
Maria Koch sagt:
Hey, ich hatte mir überlegt, wie ich einen antiken Brief herstellen könnte, weshalb ich bei meiner Recherche auf deine Seite kam. Die Elefantenhaut und Lack musste ich erst bestellen. Als das Material geliefert wurde, beschrieb ich das Papier mit Pilot Iroshizuku 100° Tinte, dann folgte ich deiner Anleitung. Ergebnis: Wahnsinnig toll! Ich hätte nie gedacht, dass altes Papier so erzeugt wird. Danke
Winterkind2000 sagt:
Sehr aufschlussreicher Vergleich! Danke, dass du eines deiner Geheimnisse geteilt hast. Ich habe mir soeben Elefantenhaut bestellt, da ich authentische Schatzkarten für einen Kindergeburtstag anfertigen möchte. Super, ich freu mich total drauf loszulegen *grins*