Um die deutsche Wissensgesellschaft ist es sehr gut bestellt. Denn auch wenn immer weniger Schüler wissen, was an Emmanuel Kant falsch sein könnte, steigt die Abiturquote¹ hierzulande seit Jahren. Von der hervorragenden Arbeit, die auf den Gymnasien geleistet wird, profitieren natürlich vor allem die Hochschulen. Es ist deshalb kein Wunder, dass die Doktorwürde in der BRD überdurchschnittlich² oft verliehen wird. Die große Elitenanzahl festigt nicht nur den Innovationsstandort Deutschland, sondern führt auch zu einer hohen Nachfrage nach Doktorhüten. Schließlich erhalten Doktoranden, nachdem sie ihre Dissertation erfolgreich verteidigt haben, das Privileg ihr Haupt mit einem solchen geschichtsträchtigen Hut zu bedecken.
The cap or mortar board is the symbol for having attained the title of “doctor”.
Kücükay, Yesim: Cap and Gown – a European Tradition. college-fashion.com (07/2017).
Die meisten deutschen Fakultäten verleihen jedoch keine dieser akademischen Kappen, sondern händigen ihren Absolventen lediglich eine schlichte Doktorurkunde aus. Wenn unsere besten Wissenschaftler also einen schneidigen Doktorhut auf dem Kopf tragen möchten, dann müssen sie sich diesen von ihrem Gefolge basteln lassen. Besonders gute Ergebnisse erzielt hierbei regelmäßig die Physik-Fakultät der Universität Heidelberg. Dort fertigen diverse Arbeitsgruppen die quadratischen Mörtelbretter bereits seit Jahren für ihre frischgebackenen Doktoren an.
An den Heidelberger Instituten basteln viele Arbeitsgruppen ihren frisch gebackenen Doctores ganz individuelle Doktorhüte.
Schwarz, Michael: Herr Doktor gut behütet. uni-heidelberg.de (07/2017).
Um meinen Beitrag für die Elitenförderung dieses Landes zu leisten, habe ich einen Doktorhut zum Aufsetzen entwickelt. Ich ging davon aus, dass promovierte Akademiker eine etwas größere Hirnschale besitzen, weshalb ich den Papierhut in der Größe L zur Verfügung stelle. Dies entspricht einem Kopfumfang von 58 Zentimetern.
Außerdem achtete ich darauf, dass mein Doktorhut exakt dem Oxford-Standard entspricht. Diese Universität setzte nämlich bereits im Spätmittelalter die Trends für fesche Akademikermode. Der erste intellektuelle Modeschöpfer war der Erzbischof von Canterbury Stephen Langton, der aufgrund seines hohen Amtes automatisch Hochschullehrer in Oxford war.
Im Jahre 1222³ verfügte der kultivierte Theologe, dass alle seine ihm unterstellten Gelehrten von nun an nur noch in Cappa clausa unterrichten dürfen.
Dieses pompöse Übergewand sah ein wenig wie der Mantel des Heiligen Nikolaus aus und gilt als die erste Kleidungsnorm für schulische Geistesarbeiter. Zudem rundete eine Kappe namens Pileus das erhabene Outfit ab. Im Jahre 1311 wurde das schlichte Filzmützchen dann durch das Birett ersetzt. Dieser lustige Kirchenhut mit Bommel gilt als Vorläufer des klassischen Doktorhutes, der ab dem frühen 15. Jahrhundert fest zur Montur eines Oxford-Professors gehörte.
The most prevalent style is the mortarboard cap which pairs with standard graduation gowns. These caps are believed to have been developed in the 15th century evolving from hats known as birettas used by Catholic clerics, scholars, and professors.
Albi, Tara: Historical Origins of the Graduation Cap and Gown. graduationsource.com (07/2017).
Daraufhin war der Doktorhut lange Zeit eine ruhmreiche Auszeichnung für Menschen, die einen bedeutenden Beitrag zur Wissenschaft geleistet haben. Spätestens in den 1950er Jahren verließ diese Kopfbedeckung jedoch den tertiären Bildungsbereich. Denn seit diesem Wohlstandsjahrzehnt dürfen sogar die Absolventen von US-amerikanischen Highschools einen mehrfarbigen Talar mit Doktorhut tragen. Und heutzutage genügt unseren transatlantischen Freunden wahrscheinlich bereits das Wissen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika das großartigste Land der Erde sind.
Wie ist es sonst zu erklären, dass zwischenzeitlich auch nordamerikanische Kindergärten sehr emotionale Abschlusszeremonien veranstalten, bei denen sich selbst die süßen ABC-Schützen mit diesen einstmaligen bildungselitären Hüten zur Schau stellen?
For kindergarten up to high school, the graduation gowns are usually colored by the school’s standard traditional color.
Pantazi, Andie: Meaning of Academic Regalia Colors and its Significance. gradshop.com (07/2017).
So gesehen ist das quadratische Mörtelbrett heute nur noch ein Wissenssymbol, welches seine tiefere Bedeutung längst verloren hat. Demzufolge könnten Sie mit meinem Doktorhut auch bedenkenlos ein unwissenschaftliches Faschingskostüm aufpeppen. Die autoritäre Kopfbedeckung kann Ihnen ebenfalls sehr dabei helfen, wenn Sie als strenger Biologielehrer gelegentlich ein unartiges Schulmädchen wieder auf den rechten Weg führen müssen.
In der nun folgenden Bildanleitung erfahren Sie, wie Sie mithilfe meiner Schablonen einen Doktorhut zum Aufsetzen basteln, der 24,5 Zentimeter breit und 8,5 Zentimeter hoch ist. Ihnen ist der Akademikerhut in der Größe L zu groß? Dann finden Sie am Ende des Artikels die Schnittmuster⁴ für einen Puppendoktorhut, der perfekt auf kleine Kunstköpfe mit einem Durchmesser von zwölf Zentimetern passt.
Bastelanleitung für echten Doktorhut
Zum Anfertigen einer Akademikerkappe verwendete ich schwarzes und lilafarbenes Tonpapier. Hingegen für die Stabilität sorgte ein gewöhnlicher Verpackungskarton mit einer Dicke von 0,5 Zentimetern. Zum Basteln der buschigen Quaste nahm ich eine Naturkordel und etwas Moosgummi zur Hilfe. Außerdem kamen für die Verzierungen einige Acrylfarben und ein lilafarbenes Satinband zum Einsatz. Als Werkzeuge sollten Sie sich zudem eine Schere, viel flüssigen Kleber, ein handelsübliches Klebeband, ein Falzbein samt Lineal und meine DIN A4 Bastelschablonen (#1 /#2 /#3 /#4 /#5 /#6 /#7 /#8 /#9 /#10 /#11 /#12 /#13) zurechtlegen.
Bevor ich die quadratische Hutkrone basteln konnte, musste ich mir zunächst einmal ein großes Schnittmuster anfertigen. Dazu druckte ich mir als Erstes die Schablonen #1 - #4 aus. Gleich danach schnitt ich die vier einzelnen Bauteile frei und klebte diese anschließend mit Malerkrepp an den identischen Buchstaben (A - D) aneinander.
Im nächsten Schritt legte ich meine vergrößerte Vorlage auf einen schwarzen Tonpapierbogen und zeichnete die Linien mit einem Bleistift nach. Daraufhin schnitt ich die Außenverkleidung der Hutkrone aus und falzte direkt im Anschluss die vier langen Klebelinien des Elements.
Damit das Hutquadrat so steif und stabil wie ein Tablett wurde, fertigte ich als Nächstes die Innenplatte der Hutkrone an. Auch hier musste ich zuerst wieder ein großes Schnittmuster bauen. Dafür schnitt ich diesmal die Schablonen #5 und #6 nach dem Ausdrucken frei und klebte gleich darauf beide Bauteile an der Markierung E aneinander.
Mithilfe dieser verlängerten Schablone schnitt ich mir daraufhin die Innenplatte der Hutkrone aus einem gewöhnlichen Verpackungskarton zurecht.
- Die vorbereitete Kartonplatte legte ich dann wiederum mittig auf die bereits gefalzte Außenverkleidung.
- Nachdem ich die Klebelaschen der schwarzen Außenverkleidung darauffolgend an der Innenplatte festgeklebt hatte, sah die eine Seite der quadratischen Hutkrone wie ein Bilderrahmen aus.
Ich wollte jedoch, dass der braune Karton am Ende nicht mehr zu sehen ist. Aus diesem Grund nahm ich erneut die eben verlängerte Schablone zur Hand und fertigte mir damit ein schwarzes Tonpapierquadrat an. Mit diesem Element versteckte ich dann noch sorgfältig den Karton. Danach legte ich meine widerstandsfähige Hutkrone erst einmal beiseite.
Hutkranz passt auf große Akademikerköpfe
Im nächsten Bastelschritt fertigte ich den inneren Hutkranz an, der später den Oberkopf des Hutträgers vollständig umschließt. Für dieses Bauteil musste ich zunächst wieder Schablonen verlängern, um einen 60 Zentimeter langen Papierring herstellen zu können.
Nachdem ich die Schablonen #7 und #8 ausgedruckt und freigeschnitten hatte, lagen vier identische Einzelteile vor mir. Daraufhin nahm ich mein Malerkrepp zur Hand und bastelte aus den vier Elementen eine innere Hutkranzvorlage.
- Mit der Unterstützung dieser Hutkranzvorlage schnitt ich mir gleich darauf einen gezackten Balken aus lilafarbenem Tonpapier aus.
Die vielen Zacken sind die Klebelaschen, die ich nach dem Falzen wie einen Ring um das kreisförmige Hutdach klebte, welches ich kurz zuvor mithilfe von Schablone #9 angefertigt hatte.
Als Nächstes befestigte ich meine bereits fertiggestellte Hutkrone mit viel flüssigem Kleber symmetrisch auf dem runden Hutdach.
- Damit mein Doktorhut auch für schweißtreibende Aktivitäten genutzt werden kann, musste ich den Hutkranz noch weiter verstärken. Aus diesem Grund verlängerte ich die Schablonen #10 und #11 zu einer äußeren Hutkranzvorlage.
- Mit diesem Schnittmuster fertigte ich mir wiederum einen langen Balken aus schwarzem Tonpapier an, mit dem ich den lilafarbenen Hutkranz komplett verkleidete.
- Ganz zum Schluss klebte ich noch ein Hutband unten am Hutkranz fest, welches ich mithilfe von Schablone #12 angefertigt hatte.
Hinweis: Mein Hutband besteht aus einem glänzenden Satinband. Falls Sie dieses Material nicht zur Hand haben, dann könnten Sie die Hutkranzdekoration auch ohne Weiteres aus Tonpapier basteln.
Eine buschige Quaste verziert den Doktorhut
Durch das Anbringen einer Quaste weicht mein Doktorhut leicht vom ursprünglichen Oxford-Standard ab, denn dieses witzige Accessoire ist eine relativ neue Erfindung.
Zum Basteln des akademischen Püschels fertigte ich mir zuallererst ein Tonpapierstück an, welches acht Zentimeter hoch und acht Zentimeter breit war. Daraufhin nahm ich eine Juteschnur und wickelte diese 25 Mal um das Papierstück.
- Zum Fixieren des Bündels verwendete ich anschließend einen weiteren Faden, mit dem ich das obere Ende der Quaste verknotete.
- Als Nächstes entfernte ich das Gebinde von dem Papierquadrat und schnitt mir gleich danach noch eine dritte Juteschnur zurecht. Mit dieser Schnur verknotete ich dann auch das obere Drittel der dicken Troddel.
- Zu guter Letzt nahm ich eine Schere zur Hand und schnitt damit das untere Ende des Büschels ab.
Nachdem ich die fertiggestellte fransige Quaste darauffolgend mit Acrylfarbe bemalt hatte, klebte ich diese auf eine Quastenhalterung.
Die Halterung bastelte ich aus drei Kreisen, die ich mithilfe von Schablone #13 aus Moosgummi und Tonpapier angefertigt habe. Bevor ich jedoch die Quaste samt Halterung daraufhin mittig auf die Hutkrone kleben konnte, musste ich den Moosgummiknopf noch mit feinen Tonpapierstreifen verkleiden, die sich ebenfalls auf Schablone #13 befinden. Ganz zum Schluss verzierte ich mein Kunstwerk noch mit schicken Krönchen. Danach war mein klassischer Doktorhut zum Aufsetzen auch schon einsatzbereit.
Fazit: Lustige Huttraditionen kommen und gehen
Mein Mörtelbrett ist ein äußerst einfaches Motiv, welches auch für Bastelanfänger geeignet ist. Zum Zusammenbauen eines Exemplars sollten Sie sich ungefähr zwei Stunden reine Bastelzeit einplanen. Beim Posieren für die Präsentationsfotos fiel mir auf, dass sich die Kopfbedeckung sehr bequem tragen lässt. Und das, obwohl der stabile Hut lediglich aus Karton und Papier besteht. Außerdem ist die Quaste bei meinem Doktorhut beweglich, was heutzutage sehr wichtig ist.
Denn nachdem unsere unbedachten amerikanischen Freunde die jahrhundertealte Doktorhuttradition abgelegt hatten, stellten sie fest, dass die Häuptlinge auf den Abschlusszeremonien nicht mehr von den Indianern zu unterscheiden waren. Aus diesem Grund gibt es in den USA die Quastenwanderung (englisch tassel-turning). Bei dieser relativ neuen Tradition müssen die Studenten auf dem Campus die Quaste am Doktorhut auf der rechten Seite tragen. Hingegen bei den Professoren wedelt der Püschel vor der linken Gesichtshälfte. Erst wenn ein Absolvent sein Diplom in den Händen hält, darf er seine Quaste ebenfalls auf der linken Hutseite führen.
At commencement, tassels are traditionally worn on the right side of the cap and then moved to the left once graduates receive their diplomas.
Livingston, Austin: When tassels should be turned at commencement? resources.gradimages.com (07/2017).
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¹Hummel, Katrin: Abitur-Noten: Und plötzlich ist der Olli schlau. faz.net (07/2017).
²Statistisches Bundesamt: Internationale Bildungsindikatoren im Ländervergleich. destatis.de (PDF) (07/2017).
³Augsdörfer, Martin: History. robe-academicus.com (07/2017).
⁴Schablonen für einen Puppendoktorhut (#1 /#2 /#3 /#4 /#5 /#6).