Kurz nachdem die letzten Zeitzeugen des Dreißigjährigen Krieges verstorben waren, fanden in den Südwestgebieten¹ des Heiligen Römischen Reiches skurrile Hasenjagden² statt. Hierbei suchten die Kinder der urbanen Oberschicht³ am Ostersonntag gefärbte Hühnereier, die ihre Ammen oder Hauslehrer im Morgengrauen versteckt hatten. Und um dem Treiben einen tieferen Sinn zu verleihen, erzählten die Eltern⁴ ihren Sprösslingen, dass die hart gesottenen Ovale in den heimischen Gärten die Hinterlassenschaften des Osterhasen seien. Schnell breitete sich der Brauch im ganzen deutschsprachigen Raum aus, wobei die österliche Eiersuche weiterhin ein exklusives Ereignis blieb. An den Karsamstagen des 18. Jahrhunderts wurden dann auf Gutshöfen oder in den Residenzen des städtischen Beamtenadels plötzlich Nester für den langohrigen Gabenbringer gebastelt, die Heu oder Moos als Füllstoff enthielten.
Manchmal auch ein Spankorb oder ein kleiner Weidenkorb, der am Tag vor Ostern von den Kindern mit Moos oder Heu ausgepolstert und in den Garten gestellt worden war. In Nürnberg gab es sogar fahrbare Hasengärtlein.
Schönfeldt, Sybil: Das große Ravensburger Buch der Feste & Bräuche. 9., überarbeitete Auflage. Ravensburg: Otto Maier Verlag 1993.
Nach einer Weile imitierte die feudaldeutsche Landbevölkerung die Ostersitten der Bourgeoisie, wodurch auch Bauernkinder ihre selbst gemachten Brutstätten in Sträuchern und auf Feldern versteckten.
Allerdings waren die Erwachsenen in den Hufen oftmals viel zu müde, um vor dem Morgengottesdienst in den weitläufigen Dörfern nach den Ablageorten zu suchen. In diesem Fall erzählten sie ihren Abkömmlingen, dass sie den Eier schenkenden Hasen, Fuchs oder Storch⁵ bei nahe gelegenen Schneeglöckchen⁶ oder Baumstümpfen gesehen hätten.
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts mussten sich die Kinder des Deutschen Kaiserreichs selbst um ihre Nester kümmern, wenn sie am Ostersonntag vom tierischen Gabenbringer berücksichtigt werden wollten.
Traditionell bereiteten die Kinder dem Osterfuchs am Karsamstag ein wohliges Nest aus Heu und Moos. Auch sorgten sie dafür, dass der Osterfuchs bei seinem Besuch nicht gestört wurde - beispielsweise indem sie die Haustiere für die Nacht wegsperrten.
Fella, Tobias: Fuchs statt Hase: Als der Osterfuchs die Eier brachte. t-online.de (03/2021).
Erst als der Hase seine Konkurrenz in den 1930er-Jahren⁷ endgültig verdrängt hatte, übernahmen die Mütter den Bau der Nistplätze.
Durch das Bequemlichkeitsstreben nach den Wirtschaftswunderjahren zogen immer mehr Fertigprodukte in die bundesdeutschen Haushalte ein. Das betraf ebenfalls Osternester, die plötzlich nicht mehr mit Naturmaterialien, sondern mit industriell gefertigten Füllstoffen ausgestopft wurden. Die Idee dahinter war, dass grüngefärbte Metall-, Synthetik-, Holz- oder Sisalfasern mehrere Saisons verwendet werden können.
- Des Weiteren residieren im Stroh, Heu und Moos des Öfteren winzige Lebewesen wie Haarlinge, die zweifellos niemand zusammen mit einem Schokohasen verzehren möchte.
Andererseits sind ein paar Miniaturinsekten weitaus ungefährlicher als die gesundheitsschädlichen Substanzen, die sich auch heute noch in künstlichen Ostergräsern befinden.
In den nicht farbechten Gräsern stießen wir auf relativ hohe Gehalte an primären aromatischen Aminien - gesundheitsschädlichen Substanzen, mit denen Verbraucher so wenig wie möglich in Kontakt kommen sollten. Die Gräser, die kaum Farbe abgaben, fielen durch Formaldehyd auf - allerdings in sehr geringen Gehalten an der Bestimmungsgrenze.
Stocker, Anita: Schoko-Eier und Co. nur gut verpackt ins Osternest. In: test Nr. 4 (2019). S. 8.
Doch zum Glück können weder chemische Farbstoffe noch kleine Krabbeltiere Alufolien oder Eierschalen durchdringen. Solange also keine unverpackten Naschereien im Nest liegen, sind alle Grasvarianten unbedenklich.
Weitaus problematischer dagegen ist die Beschaffung des Dekograses, welches bei Online-Marktplätzen lange Lieferzeiten hat, da es zumeist in Fernost hergestellt wird. Ebenso im stationären Einzelhandel sind grüngefärbte Füllstoffe oftmals schon im März ausverkauft. Wer in diesem Jahr leer ausgegangen ist, der kann dem langohrigen Eierlieferanten trotzdem eine wohlige Brutstätte bauen. Schließlich gibt es viele Materialien, die sich schnell in eine authentische Nesteinlage verwandeln lassen.
Ostergras aus Papier
Eltern von Vor- oder Grundschulkindern haben bestimmt grünes Tonpapier im Haus. Ansonsten gibt es den multiplexen Werkstoff selbst in Drogeriemarktketten und Non-Food-Discountern zu kaufen. Für die Herstellung eines voluminösen Eierbetts müssen aus verschiedengroßen Fotokartonquadraten unterschiedlich breite Bahnen herausgetrennt werden. Die vielfältigen Streifen lassen sich dann in der Hand wunderbar zu einem dicken Ballen formen, der direkt im Osternest platznehmen kann.
Das preiswerte Tonpapier ist sowohl farb- wie auch lichtecht und für Kinder ab drei Jahren geeignet.
- Um Klebstoffe und Pigmente besser aufnehmen zu können, besitzt die Bastelware eine raue Oberfläche, weshalb ich weiche Dunilin-Servietten als Ostergrasersatz bevorzuge. Die schwedischen Mundtücher warten mit einer feinen Textilhaptik auf, obwohl sie aus Cellulose bestehen.
Allerdings sind die kompostierbaren⁸ Gastroartikel ausschließlich im Online-Handel erhältlich. Dadurch stellen die kostspieligen Speiseutensilien keine Last-Minute-Lösung, sondern eine gesündere Alternative zur konventionellen Holzwolle dar.
Reines Pflanzengewebe
Wer beim Osterfrühstück ein Gesprächsthema benötigt, der sollte seine Nester mit Naturbast ausstaffieren. Hierbei handelt es sich um beigefarbene Fasern, die von den Blättern der zentralafrikanischen Raffiapalme abgeschnitten wurden. Nach dem Trocknen sind die bis zu 1,20 Meter langen Pflanzensträhnen so reißfest, dass sie sich zum Weben und Flechten eignen. Dementsprechend ist es kinderleicht möglich, aus den weit gereisten Schnüren ein kranzförmiges Eierbett herzustellen.
Vor allem grüngefärbter Raffia-Bast illustriert ein authentisches Dekogras. Zwar sind die eingearbeiteten Pigmente nicht UV-beständig, dafür bleibt die Koloration selbst bei Nässe am Produkt haften. Allerdings nehmen die Naturfasern viel Feuchtigkeit aus der Luft auf, weshalb sie manchmal von Schimmelpilzen⁹ befallen werden.
- Darüber hinaus muss eine enorme Kohlenstoffdioxid-Emission stattfinden, um das preiswerte Tropengewebe zu den deutschen Verbrauchern zu bringen.
Umweltbewusste Menschen sollten deshalb lieber auf heimisches Heu zurückgreifen, wenn sie einen klimaneutralen Füllstoff im Osternest haben möchten.
Das getrocknete Gras ist selbst am Karsamstag in jeder Zoohandlung oder Drogeriemarktkette erhältlich und kommt ohne künstliche Farbstoffe aus. Und wer wirklich Angst vor Milben hat, der kann das Haustierfutter vor dem Dekoeinsatz in die Gefriertruhe legen.
Ich friere Heu und Stroh auch erst ein, seit ich mal Milben damit eingeschleppt hatte. Seit ich diese Vorsichtsmaßnahme mache, hatten wir nie mehr so Viecher.
*NicoleCH*: Milben im Heu, geht’s auch ohne? rennmaus.de (03/2021).
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¹Fehrle, Eugen: Feste und Volksbräuche im Jahreslauf europäischer Völker. Kassel: Johann Philipp Hinnenthal Verlag 1955.
²Schnabel, Michael: Fachartikel: Rund um’s Osternest ... Kurzinfos zum Osterfest. kindergartenpaedagogik.de (03/2021).
³Wildhaber, Robert: Der Osterhase und andere Eierbringer. In: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 53 (1957). S. 112.
⁴Fischer, Anke: Feste und Bräuche in Deutschland. Fränkisch-Crumbach: EDITION XXL GmbH 2004.
⁵Omphalius, Ruth: Die Spur des Osterhasen. youtube.com (03/2021).
⁶Klecker, Hans: Ostern in der Oberlausitz: Gestern und heute. Zittau: Oberlausitzer Verlag 2016.
⁷Gehirsch, Birgit: „Lepusculus Domini, Erotic Hare, Meister Lampe” - Zur Rolle des Hasen in der Kulturgeschichte. Diss. masch. Gießen: VVB Laufersweiler Verlag 2005.
⁸Dackeskog, Robert: DUNILIN®. duni.com (03/2021).
⁹Vetter, Sascha: Naturbast zum Basteln. bastelkommission.de (03/2021).
Annie sagt:
Guten Morgen ihr Lieben! Ich bin eine alleinerziehende Mama aus Reken, die dieses WE kleine Osternester für ihren Sohn basteln möchte. Diese Seite hier hat mir sehr geholfen. Ich wusste gar nicht, dass das Füllmaterial „Ostergras” heißt. Wieder was gelernt.
Ich kaufe heute Heu in der Zoohandlung, ist natürlich und mein Kleiner kann gleich Hasen und Meerschweinchen anschauen. Vielen herzlichen Dank für die Tipps. Lg, Annie.
Jana Schwarze sagt:
Puh das sind alles hilfreiche Tipps und wunderschöne Bilder. Tja, dieses Jahr habe ich auch kein Ostergras mehr bekommen. Beim DM, Rossmann oder Tedi alles ausverkauft. Ich habe jetzt stattdessen grünes Krepppapier gekauft und schneide mir das so zurecht, wie du es auf dem Bild gezeigt hast. Bekomme am Sonntag Kinderbesuch - sonst wäre mir das mit dem Ostergras egal. Danke und Frohe Ostern an alle, die das lesen.
Mandy sagt:
Krass sind das schöne Bilder. Hast du da eine Fotobox mit Parkettboden gebastelt? Naja, ich suchte nach einer Alternative zu Ostergras, weil das so widerlich nach Chemie stinkt, machs jetzt selbst mit Tonpapier. Tschaui und frohe Ostern ihr Lieben!
El Madridista sagt:
Aaaalso ich war heute schon bei Tedi, Aldi und Obi nirgendwo gab es Ostergras. Entweder nicht lieferbar oder ausverkauft *hmpf* Habe jetzt gegoogelt was man tun kann und deinen wunderbaren Vergleich entdeckt. Gehe gleich nochmal los und kaufe Bergwiesenheu für Meerschweinchen. Das muss dieses Jahr für meine Osternester reichen, keinen Bock mehr auf weiteren Stress. Danke für die Infos und Grüße an alle, die denselben Stress haben...