1974 war das Jahr des deutschen Mannes. Dies hing nicht nur damit zusammen, dass die Fußball-Nationalmannschaft der BRD in München zum zweiten Mal Weltmeister wurde. Auch die Damen trugen zum Glück des starken Geschlechts bei, indem sie ihre verlausten Hippiekleider aus Leinen endgültig ablegten. Stattdessen flanierten die Frauenzimmer selbstbewusst gestylt in femininen Hotpants durch die Innenstädte und hörten dabei die neusten Hits von ABBA im Walkman. Dank Neukanzler Helmut Schmidt, der die staatlichen Investitionen erhöhte und des enormen Lohnzuwachses durch neu abgeschlossene Tarifverträge konnte Mann trotz hoher Arbeitslosenquote sorgenfrei im Sommer an den Balaton fahren. Und wäre das alles nicht schon genug gewesen, brachte Volkswagen auch noch in diesem Jahr den Golf Mk1 heraus, um den die Welt Deutschland bis heute beneidet.
Dass Deutsche schon immer gerne flott unterwegs waren, beweist die Tatsache, dass selbst der kleiner motorisierte Golf Mk1 mit einer sportlichen 1,1-Liter-Maschine und 50 PS verfügbar war. Gasgeben wie Hans-Joachim Stuck hatte 1974 aufgrund der Ölkrise jedoch seinen Preis. Der Liter Benzin kostete seinerzeit nämlich rekordverdächtige 40 Pfennig. Doch auch hier konnte der Golf Mk1 punkten, da er bei 90 km/h lediglich 6,4 Liter pro 100 Kilometer verbrauchte.
So betrug laut Betriebsanleitung der Verbrauch des 37-kW-Motors nach DIN 70030 6,4 l pro 100 km bei 90 km/h [...].
Weinhardt, Dirk: Der Ur-Golf. ur-golf.de (04/2017).
Als Kunstliebhaberin bin ich froh, dass nicht nur Spritzigkeit und Sparsamkeit dazu führten, dass dieses Auto mehr als 6,9 Millionen Mal verkauft wurde.
Der erste Golf kam bestens an. 6,99 Millionen Exemplare verkauften die Wolfsburger von der ersten Generation.
Stratmann, Jens: VW Golf 1 Kaufberatung | Geschichte | Typische Mängel | Schwachstellen. youtube.com (04/2017).
Das zeitlose kantige Design hatte bekanntlich mindestens einen genauso großen Anteil am Verkaufserfolg. In Deutschland verehrte man allerdings schon immer das Runde. Bei der jahrhundertelangen Liebe zu Ostereiern, Bällen und Rubensfrauen war es deshalb auch kein Wunder, dass der wohlgeformte VW Käfer hierzulande 30 Jahre lang als Nonplusultra galt. Um also ein relativ eckiges Auto mit einer massiven und breiten C-Säule zu entwerfen, war seinerzeit ein Italiener vonnöten. Aus diesem Grund engagierte Volkswagen 1971 den Industriedesigner Giorgetto Giugiaro.
Designed as a front-engined, front-wheel drive replacement for the Beetle, the Golf’s crisp lines were penned by famed designer Giorgetto Giugiaro.
Taylor, James: History of the Volkswagen Golf - picture special. autocar.co.uk (04/2017).
Der findige Künstler hatte sich bereits bei italienischen Automobilkonzernen einen Namen gemacht und ist unter anderem für das schnittige Design des legendären Fiat 850 Spider verantwortlich. Während der bedauernswerte Giorgetto bei schlechtem Wetter in Niedersachsen saß und an der Hülle des Golf Mk1 arbeitete, soll ihm 1972 Ferdinand Piëch als Praktikant assistiert haben. Der Neffe von Ferry Porsche mochte es typisch deutsch - also rund. Er prophezeite, dass der Golf Mk1 mit diesem Aussehen ein Flop werden würde.
A summer intern named Ferdinand Piech spends two months learning about design from thirty-four-year-old Giugiaro. Piech predicts the Golf will be a failure.
Cumberford, Robert: Giorgetto Giugiaro History. automobilemag.com (04/2017).
Der gelernte Kfz-Mechaniker und damalige Vorstandsvorsitzende Rudolf Leiding vertraute allerdings seinem italienischen Stareinkauf und wurde nicht enttäuscht. Der Golf Mk1 war selbst in Nordamerika ein Renner. Bekanntlich hatten unsere transatlantischen Freunde bereits in den 1970er Jahren so ihre Probleme mit den Golfstaaten. Sie nannten das deutsche Auto allerdings nur wegen der Form Hase (englisch rabbit) und nicht um ihre Animosität gegen die OAPEC zum Ausdruck zu bringen.
Launched in 1975 the US, the Rabbit (as it was known over there) was fast becoming a force to be reckoned with, and was really the only car capable of bringing the fight to the influx of new Japanese compact cars [...].
Anonymous: History Of The MK1 Golf (Typ17). vwheritage.com (04/2017).
Mehr als 40 Jahre nach dem Verkaufsstart besiedelt der erste Golf immer noch die Straßen unseres Planeten. Es ist angesichts dieses Qualitätsbeweises deshalb nicht verwunderlich, dass auf viele Fahranfänger nach dem Bestehen des Führerscheins ein Nachfolgemodell des Mk1 in der Einfahrt wartet. Falls Sie Ihrem Schützling zum 18. Geburtstag nicht nur den nackten Zündschlüssel überreichen wollen, habe ich die perfekte Geschenkverpackung für Sie entworfen. Mein Auto aus Papier bietet nämlich nicht nur genug Platz für Fahrzeugschein, Schlüssel und Benzingeld, sondern ist garantiert auch das Highlight auf dem Geschenktisch.
Meine künstlerische Interpretation des VW Golf Mk1 ist 20,5 Zentimeter lang, 10 Zentimeter breit und 9,5 Zentimeter hoch. In der folgenden Bastelanleitung sage ich Ihnen, wie Sie mithilfe meiner Schablonen im Handumdrehen selbst ein eigenes Papierauto basteln können.
Auto aus Papier basteln - Anleitung
Zum Bauen des Autos verwendete ich hauptsächlich Tonpapier in vielen unterschiedlichen Farben. Für manche Einzelteile griff ich jedoch auch auf Moosgummi zurück. Als spezielles Material nahm ich zudem zwei Schaschlikspieße zur Hilfe. Hingegen für die Verzierungen kamen nichts weiter als verschiedene Acrylfarben zum Einsatz. Außerdem sollten Sie sich eine Schere, viel flüssigen Kleber, einen Eyelet-Setter, ein Falzbeil samt Lineal, ein Bastelmesser und meine DIN A4 Bastelschablonen (#1 /#2 /#3 /#4 /#5 /#6 /#7 /#8 /#9 /#10 /#11 /#12) zurechtlegen.
Ich begann mit den vier Radkästen des Autos. Dazu fertigte ich mir die beiden Elemente von Schablone #1 aus Tonpapier an.
Der Innenraum meines Fahrzeugs sollte eine andere Farbe als der Unterboden bekommen. Damit dies funktionierte, musste ich auf eine etwas schwierigere Klebetechnik zurückgreifen.
- Zunächst einmal schnitt ich mir die beiden Einzelteile der Schablone viermal in Blau und viermal in Schwarz zurecht.
- Als Nächstes klebte ich immer ein blaues gezacktes Element, welches wie eine Raupe aussieht auf ein schwarzes Pendant.
- Gleich darauf falzte ich die Knick- und Klebelinien aller Einzelteile. Außerdem schoss ich mithilfe eines Eyelet-Setters jeweils ein Loch in die acht rundlichen Bauteile.
- Anschließend nahm ich eines der schwarzen halbrunden Elemente und klebte es innen an der Klebelasche einer gekrümmten Raupe fest.
Um die gezackten Klebelaschen zu verkleiden, befestigte ich daraufhin ein blaues halbrundes Element an der Außenseite des Radkastens.
Als ich nach diesem Prinzip noch drei weitere Radkästen angefertigt hatte, widmete ich mich dem Unterboden von Schablone #2. Nachdem auch dieses lange Element gefalzt und mit Löchern versehen war, klebte ich die vier vorbereiteten Radkästen in die Aussparungen. Dabei fixierte ich diese Bauteile einerseits an den Achsenlöchern des Unterbodens. Außerdem drückte ich je Radkasten noch vier mit Kleber bestrichene Zacken auf den Untergrund.
Hinweis: Dank dieser smarten Bauweise sah die Seite des Unterbodens, die später nach innen zeigen sollte wie aus einem Guss aus.
Im nächsten Schritt brachte ich die beiden Seiten des VW Golf am Unterboden an. Dazu schnitt ich mir die Autosilhouette von Schablone #3 zweimal aus Tonpapier zurecht. Gleich danach falzte ich die langen Knicklinien (siehe Schablone). Daraufhin bog ich die Autoseiten so lange zurecht, bis diese das typische eckige Golf Mk1 Design hatten. Als mir das Ganze gefiel, klebte ich an jeder Seite meines Unterbodens eine präparierte Autosilhouette fest.
Hinweis: Die abstehenden Zacken der vier Radkästen dienten mir dabei als Klebepunkte.
Papierauto bekommt seine Lackierung
Rot und Weiß galten 1974 zu den beliebtesten Farben des VW Golf Mk1. Ich habe mich bei der Lackierung jedoch vom Red Bull RB7 inspirieren lassen. Das ist der Bolide, mit dem Sebastian Vettel 2011 Formel-1-Weltmeister wurde.
Dazu fertigte ich das große Frontelement von Schablone #4 zweimal aus königsblauem und die Zierstreifen aus orangefarbenem Tonpapier an. Die Frontseiten klebte ich direkt im Anschluss symmetrisch aufeinander. Danach schnitt ich die Windschutzscheibe mithilfe eines Bastelmessers frei und klebte darauffolgend die beiden Zierstreifen auf. Ganz zum Schluss musste ich außerdem noch die Knick- und Klebelinien des Einzelteils falzen.
Als die präparierte Front vor mir lag, wiederholte ich die vorangegangenen Schritte mit dem Heck, welches sich auf Schablone #5 befindet.
Im Anschluss befestigte ich zuallererst die kolorierte Front an der Karosserie. Dazu trug ich viel flüssigen Kleber auf die unterste Klebelasche auf und drückte diese anschließend am Unterboden fest.
- Als Nächstes fixierte ich die Front endgültig über die seitlichen Klebelaschen an der Motorhaube und an den Vordertüren.
- Infolgedessen klebte ich auch das farbige Heck nach derselben Methode auf die Autorückseite.
Daraufhin schloss ich die Lackierung zunächst einmal ab, indem ich auch die beiden Seiten verkleidete. Dazu fertigte ich das Element von Schablone #6 zweimal aus meiner blauen Tonpapierfarbe an. Hinweis: Auch diese Autoseiten musste ich vor dem Aufkleben falzen und in Form biegen. Mit dem Befestigen der Seitenverkleidungen kaschierte ich zudem automatisch die schwarzen Klebelaschen der Radkästen.
Obwohl mein VW Golf ein Coupé werden sollte, hatte mein Fahrzeug nach diesen Bastelschritten noch eine Öffnung im Dach. Über diese faltdachgroße Aussparung erhielt mein Papierauto nun seine komfortable Innenausstattung.
VW Golf aus Papier erhält extravagante Ausstattung
Zunächst bastelte ich das Armaturenbrett und die Mittelkonsole von Schablone #7 aus Tonpapier. Den Tacho und die anderen Bedienelemente malte ich gleich darauf mit Acrylfarben auf. Danach falzte ich zuerst die Knick- und Klebelinien des Einzelteils, ehe ich es von hinten an die Motorhaube klebte. Daraufhin fertigte ich zudem das Lenkrad von derselben Schablone an, welches ich einfach unterhalb des aufgemalten Tachos befestigte.
In den 1970er Jahren war das Rauchen noch cool. Aus diesem Grund sind meine Autositze mit schwarzblauen Sitzbezügen aus dem Baumarkt bezogen, damit keine Brandlöcher in die Sitzpolster kommen.
Als Erstes fertigte ich die Vordersitze von Schablone #8 an. Dafür schnitt ich mir zunächst die wappenförmigen Elemente für das Sitzpolster und für die Rückenlehne jeweils viermal aus Moosgummi zurecht.
- Im nächsten Schritt klebte ich immer zwei identische Moosgummiteile aufeinander, um die Sitze zu verstärken.
- Darauffolgend befestigte ich die beiden vorbereiteten Rückenlehnen aufrecht an den Sitzkissen.
- Um den Sitzbezug weiter hervorzuheben, schnitt ich mir anschließend zwei dünne blaue Tonpapierstreifen zurecht und verkleidete damit die Silhouetten der Sitze.
- Als Nächstes klebte ich den breiten blauen Zierstreifen von Schablone #8 senkrecht über die Sitzflächen der Moosgummisitze.
Zu guter Letzt musste ich nur noch zweimal den kleinen Hocker von derselben Schablone anfertigen und anschließend meine sportlichen Autositze darauf fixieren.
Die Rückbank von Schablone #9 habe ich nach genau dem gleichen Prinzip wie die Vordersitze angefertigt. Der einzige nennenswerte Unterschied zwischen den beiden Elementen ist, dass ich die Bank nicht auf einem Hocker platzierte. Das war nicht nötig, da ich das bequeme Polstermöbel auf die beiden hinteren Radkästen klebte. Dadurch scheint es so, als würde die Rückbank über dem Unterboden schweben.
Nachdem ich die Sitzgarnitur über das Dach in den Innenraum geklebt hatte, konnte ich das Auto verschließen. Dazu fertigte ich sämtliche Elemente von Schablone #10 an. Daraufhin klebte ich das erste Quadrat von unten über die Dachöffnung. Hingegen mit dem zweiten Quadrat lackierte ich das Ganze von außen mit meiner königsblauen Leitfarbe. Abschließend vollendete ich das sportive Muster mit dem schmalen orangefarbenen Streifen.
Automodell hat vier bewegliche Reifen
Nach den vorangegangenen Bastelschritten sah mein Auto nun so aus, als wäre es in der Pariser Banlieue geparkt worden - denn es fehlten die Reifen.
Bevor ich jedoch die Räder anbrachte, beklebte ich den Unterboden mit dem Element von Schablone #11 um sämtliche Kleberänder auf der Unterseite zu kaschieren. Gleich darauf fertigte ich mir zwei Achsen aus Schaschlikspießen an, die jeweils 10 Zentimeter lang waren. Nachdem ich die beiden Holzstäbchen in die Achsenlöcher geschoben hatte, widmete ich mich den Reifen von Schablone #12.
Jedes Rad baute ich aus insgesamt sechs Moosgummikreisen zusammen, weshalb ich mir zunächst 24 identische Kreise ausschnitt.
Im nächsten Bastelschritt versah ich jeden Kreis mit einem Loch. Daraufhin klebte ich immer sechs runde Scheiben aufeinander, bis vier identische Reifen vor mir lagen.
- Für die Laufflächen schnitt ich mir den Längsstreifen von Schablone #12 ebenfalls viermal aus Moosgummi zurecht. Diese mittleren Radverkleidungen klebte ich darauffolgend einmal komplett um jedes Rad.
- Die Verkleidung der Radseiten und die Radkappen fertigte ich mir hingegen aus Tonpapier an.
Nachdem ich meine vier Moosgummireifen innen und außen mit diesen Zierelementen beklebt hatte, steckte ich diese auf die Achsen. Mein Auto war damit bereit, um vom TÜV für fahrtauglich erklärt zu werden. Für den Grill, die Scheinwerfer, die Blinker und die Stoßstange habe ich keine Schablone bereitgestellt. Denn diese winzigen optischen Dinge habe ich spontan aus den bereits verwendeten Materialien individuell hergestellt oder aufgemalt.
Fazit: Autos werden heute für Berufspendler gebaut
Falls Sie Motoröl geleckt haben und meine Interpretation des VW Golf Mk1 nachbasteln möchten, brauchen Sie vor allem Geduld. Zum Basteln eines auslieferungsfertigen Modells habe ich zwei volle Arbeitstage aufwenden müssen. In meinen Augen ist Giorgetto Giugiaro ein Genie, denn selbst in Miniaturform sieht der erste Golf auch heute noch einfach genial aus. Meiner Meinung nach haben die aktuellen Golfmodelle ihren damaligen Charme allerdings eingebüßt, da sie von japanischen Autos auf den ersten Blick fast nicht mehr zu unterscheiden sind.
Um das Äußere geht es aber wahrscheinlich bei Autos dieser Preiskategorie gar nicht mehr. Dies könnte daran liegen, dass neue Fahrzeuge der Kompaktklasse in erster Linie von Berufspendlern oder Autovermietungen gekauft werden und somit der Wiederverkaufswert an erster Stelle steht. Und auf der A8 von Bobingen nach München gegen 05:30 Uhr spielt es keine Rolle, ob das Auto rund oder eckig ist, Hauptsache es ist sparsam und sicher. Ganz anders 1974 als der VW Golf Mk1 mit einem Listenpreis von rund 9.000,00 DM für den Volkskörper auch ein Hobby sein konnte, mit dem man die Nacht durch von Castrop-Rauxel nach Italien an das Tyrrhenische Meer fuhr.
Verwandte Themen:
Parkscheibe aus Papier basteln - Geschenk für Papa
Bastelanleitung für Geldbeutel aus Papier
Natascha_007 sagt:
Wörthersee 2017 wir kommen! Danke für die hammermäßige Anleitung Vroni! Dein VW Golf in Miniatur begleitet uns dieses Jahr mit an den Wörthersee zum Autoflanieren. Freu 🙂 Bilder unseres Ausflugs folgen - Liebe Grüße Natascha
Katharina Fröbel sagt:
Hallo liebe Vroni, ich heiße Katharina und habe 1976 diesen VW Golf zum Führerschein von meinem Papa bekommen. Das war ein tolles Auto, was ich 12 Jahre hatte. Ich werde mir nächste Woche einmal die Zeit nehmen, um dein schönes Auto mit meiner Enkelin nachzubasteln. Ich finde es wirklich sehr spannend zu lesen, wie die jungen Leute heute über diese Zeit denken. Alles Liebe und viele Grüße aus dem sonnigen Elzach (BW).