Eine Mutter kennt ihren Wert. Deshalb muss sie keine wiederkehrenden Gleichheitsdebatten führen und kann darüber hinwegsehen, wenn sie vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur „entbindenden Person„¹ degradiert wird. Zumindest innerhalb der Familien hat sich für junge Mütter so manches verbessert. Verglichen mit ihren maskulinen Partnern wenden Frauen täglich immer noch vier Stunden² mehr für Haushaltstätigkeiten, Fürsorge- und Erwerbsarbeit auf. Allerdings zählen Lebensmitteleinkäufe sowie das Kochen dank Jamie Oliver, Johann Lafer und Co. mittlerweile zu den Männerdomänen. Darüber hinaus verursachten Väter früher mehr³ Hausarbeit, als sie ihren Gattinnen abnahmen. Heute gilt es als selbstverständlich, dass jeder erwachsene Mensch seine Hinterlassenschaften entfernt. Währenddessen sich im Privaten langsam alles zum Guten wendet, steigen die gesellschaftlichen Ansprüche an Mütter unaufhörlich, weshalb viele von ihnen unter hochgradiger Erschöpfung leiden.
Besonders wenn es um den Nachwuchs geht, stehen Mütter schnell am Pranger. Einmal das Mützchen vergessen oder das Falsche in die Brotzeitdose gelegt und schon hebt das soziale Umfeld ermahnend den Finger. Auch die Großeltern⁴ haben stets gute Ratschläge parat, wenn das Kind gerade optisch nicht zur Norm passt oder eine schlechte Schulnote erhalten hat.
Und der Nachwuchs braucht, um schulisch und gesellschaftlich mithalten zu können, ein üppiges Freizeitprogramm [...], sonst wird er nämlich blöd und faul und womöglich auch noch krank, und Mama ist schuld.
Brost, Hauke & Marie Theres Kroetz-Relin: Wie Frauen ticken. Über 100 Fakten, die aus jedem Mann einen Frauenversteher machen. Erweiterte Neuausgabe. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf 2008.
Hingegen auf tatkräftige Unterstützung brauchen Mütter nicht hoffen. Zum Beispiel hat es die öffentliche Hand schon vor⁵ der COVID-19-Pandemie aufgegeben, eine funktionierende Kleinkindbetreuung bereitzustellen. Getrieben durch die hohe Inflation sind auch die Kosten für Nachhilfe⁶ und Babysitter ins Unermessliche gestiegen. Des Weiteren wohnen Oma und Opa oft weit weg oder haben vielleicht gar keine Lust, sich um ihre Enkel zu kümmern.
Es gilt als allgemeiner Konsens, dass das Aufziehen von Kindern ohne externe Hilfe nicht⁷ möglich ist. Trotzdem stehen die Mütter viel zu häufig allein im Regen. Um ihre Mitarbeiterinnen zu halten, mussten sich die Arbeitgeber in Zeiten des Personalmangels bereits bewegen, indem sie Homeoffice-Angebote ausweiteten, Öffnungszeiten reduzierten oder großzügig mit Kinderbetreuungstagen umgehen. Eine wirklich lobenswerte Entwicklung, die für Erleichterung im Alltag sorgt. Doch wer hilft, wenn der Kita wieder einmal die Erzieherinnen ausgegangen sind oder der Nachwuchs mit grippalem Infekt tagelang im Bett liegt?
Wie Mama danken?
Eines ist klar: Essenzielle Familienleistungen in Form von Fürsorge- und Hausarbeit gelten als selbstverständlich und haben in der Gesellschaft keinen Wert. Gleichwohl wird der deutsche Volkskörper vom schlechten Gewissen geplagt, weshalb Frauen mit Kindern am zweiten Sonntag im Mai ihre Absolution erteilen müssen. Als Buße bringen die Sünder seit dem Jahre 1923⁸ am Muttertag Blumensträuße⁹ vorbei, die zumeist aus Rosen bestehen. Vermutlich glauben die postmodernen Germanen, dass Strauchpflanzen aus Kenia oder den Niederlanden Kummer und Sorgen vertreiben.
Daher werden [Rosen] massenhaft importiert - 1,6 Milliarden Stück waren es 2021, viele davon aus afrikanischen Ländern wie Kenia, Sambia oder Äthiopien.
Scheidecker, Kerstin: Fieser Liebesbeweis. In: ÖKO-TEST Nr. 2 (2023). S. 11.
Aber eigentlich wünschen sich Mütter nur etwas Anerkennung. Doch wofür genau? Nun könnte eine ellenlange Aufzählung von Tätigkeiten folgen; wir von GWS2.de haben stattdessen eine Malbuchseite entwickelt, die den Alltag einer jungen Mutter illustriert. „Echt jetzt, ausmalen?”, könnten sich frühpubertierende Töchter mit ihren Vätern nun denken.
- Ersatzweise könntet ihr aufhören, für zehn Twitch-Zuschauer zu streamen und die Wäsche aufhängen.
- Die Großeltern könnten den demenzfördernden Fernsehsessel verlassen und mit ihren Enkelkindern die Natur erkunden.
Und kinderlose Geschwister oder Freunde könnten doch spontan Geld samt einer Einkaufsliste abholen und für die Mutti zum Aldi gehen. Wie rasant die Attraktivität von Buntstiften angesichts dieser schweißtreibenden Alternativen zunimmt.
Verwandte Themen:
Stehordner selber machen - Brigitte und Bunte verstauen
Torte aus Papier basteln - dreistöckig und köstlich zum Anschauen
¹Zinsmeister, Nadja: Eklat um Tagesschau-Wortwahl: „Entbindende Person“ statt Mutter - ARD reagiert nach Kritik-Welle. merkur.de (05/2023).
²Urban, Babette: Rabenmütter oder Super Moms? (2). ZDF (2021).
³Hamann, Sibylle & Eva Linsinger: Weißbuch Frauen, Schwarzbuch Männer. Warum wir einen neuen Geschlechtervertrag brauchen. Wien: Deuticke im Paul Zsolnay Verlag 2008.
⁴Johé, Daniel: Mom-Shaming: Wenn Mütter Mütter mobben. Die Ratgeber | hr-fernsehen (2020).
⁵Vetter, Veronika Helga: Kita-Krone basteln - für Geburtstagskinder von drei bis sieben. gws2.de (05/2023).
⁶Vetter, Veronika Helga: Vorlagen: Nachhilfe geben - extravagante Anzeigen fürs Schwarze Brett. gws2.de (05/2023).
⁷Softie: Was Mütter wirklich denken! funk.net (05/2023).
⁸May, Claudia: Muttertag. In: Deutsch perfekt Spezial Nr. 2 (2020). S. 114.
⁹Georgi, Christina & Damian Schipporeit: Millionen Blumen zum Muttertag | Die Nordreportage | NDR Doku. youtube.com (05/2023).