In den 1960er-Jahren besaßen die Deutschen oftmals nur zwei Bücher: Das eine war eine Bibel und das andere ein Versandhauskatalog. Wenn der Online-Handel heute also über 80 Milliarden Euro¹ Jahresumsatz erwirtschaftet, da 75% der Bundesbürger regelmäßig virtuelle Warenkörbe füllen, dann ist das kein Grund zur Panik, sondern die logische Konsequenz aus der Geschichte. Schließlich waren die Menschen hierzulande schon immer schwerfällige Schnäppchenjäger, die Ruhe und Anonymität beim Einkaufen schätzten, weshalb bereits der Führer ein paar schicke Knickerbockers² bei Quelle hätte bestellen können. Das mittelfränkische Familienunternehmen gehörte zu Zeiten des NS-Staates längst zu den etablierten Marken und setzte rund 40 Millionen Reichsmark per annum um. Kurz vor der Ölpreiskrise verließen täglich rund 150.000 Pakete³ die Fürther Zentrale, wenngleich der bis dato drittgrößte Versandhändler der Welt in der Bonner Republik nie eine marktbeherrschende Stellung innehatte, da es mit Otto, Baur, Neckermann, Sportscheck und Co. stets konkurrenzfähige Alternativen gab.
In den Nachkriegsjahrzehnten gibt es in Deutschland mehr als 2000 Versandhändler.
Huber, Florian: Deutschlands große Clans: Die Otto-Versand-Story. youtube.com (03/2022).
Etwas bestellen und sich nach Hause liefern lassen gehört demnach fest zum gesamtdeutschen Kulturgut. Denn selbst die antikapitalistische DDR-Führung stellte ihren Volksgenossen zwei Versandhäuser zur Verfügung, wobei der Karl-Marx-Städter Klassenprimus in der Vorweihnachtszeit des Jahres 1965 täglich Waren im Wert von einer Million Ostmark⁴ verschickte.
Obwohl die exzessive Nutzung des Online-Handels den unbeliebten Individualverkehr reduziert, warnen die Leitmedien ständig vor den Folgen dieses Kaufverhaltens. Doch warum eigentlich? Dass die Pakete nicht mehr von verbeamteten Postboten, sondern von Armutsmigranten ausgeliefert werden, ist in einer freien Marktwirtschaft wohl kaum die Schuld der Verbraucher.
Auch der Verpackungsmüllaspekt zieht nicht, da die Deutschen vorbildliche Recyclingexperten sind. So landen hierzulande 87,6%⁵ der Kartonagen und des Altpapiers in der richtigen Tonne, wovon wiederum die öffentliche Hand profitiert.
Die Kommunen verkaufen das Altpapier und finanzieren damit die Müllgebühren, sodass diese für uns konstant bleiben.
Pohlmann, Susanne: Papier richtig entsorgen. WISO | ZDF (2019).
Am Ende bleibt das Problem mit den Retouren. So wurden im Jahre 2020 rund 315 Millionen⁶ Online-Bestellungen zurückgeschickt, was deutlich den degenerierten Zustand der deutschen Wohlstandsgesellschaft zeigt. Dieses absurde Verbraucherverhalten führt nämlich nicht nur zu vermeidbaren CO₂-Emissionen, sondern zudem zu höheren Artikelpreisen, da die Versandhändler die Kosten für den Warenrundlauf in ihre Kalkulationen mit einbeziehen.
Otto kostet jede Retoure ungefähr 5,00 Euro.
Rieck, Sebastian: 24 Stunden bis zur Auslieferung. youtube.com (03/2022).
Wer also nicht jedes Mal drei Kleidergrößen bestellen muss, da er das Lesen und den Umgang mit einem Maßband beherrscht, der bekommt bei jedem Interneteinkauf sogar einen Karton geschenkt. Aus diesem robusten Verpackungsgegenstand lassen sich wiederum in Windeseile nützliche Dinge wie Stehordner für Zeitschriften basteln. Aber ist eine Ablage für Printmedien überhaupt noch zeitgemäß? Auf jeden Fall, denn vor allem Frauenmagazine haben eine unglaubliche Auflagenhöhe und werden weiterhin vorwiegend in analoger Form konsumiert.
Rund 350 Millionen Hefte für Frauen haben 2020 zu ihren Leserinnen gefunden.
Spranger, Katrin: Rund um den Michel: Frauenzeitschriften aus Hamburg. NDR (2021).
Darüber hinaus ist es ebenfalls lohnenswert, für teure Fachzeitschriftenabos einen schützenden Schuber zu bauen. Derartige Publikationsreihen entwickeln sich nämlich häufig zu begehrten Sammlerobjekten, die im einwandfreien Zustand hohe Verkaufspreise erzielen.
Etwas Neues aus gebrauchten Gegenständen basteln nennt sich Upcycling und liegt seit mehreren Jahren voll im Trend. In dieser Disziplin ist die Herstellung eines Stehordners das perfekte Anfängerprojekt, da dieses Ablagebehältnis ein schnelles Erfolgserlebnis verspricht und weder außergewöhnliche Werkzeuge noch teure Hilfsmittel erfordert.
- Doch womit beginnen? Am besten mit meinen Schnittmustern, die ich in einer PDF-Datei bereitstelle. Mithilfe meiner Schablonen ist es nämlich ohne viel Denkarbeit möglich, einen stabilen Zeitschriftenschuber mit Standardmaßen⁷ zu bauen.
Des Weiteren besitzt mein Modell schräge Seitenwände, wodurch sich der Containerinhalt stets einsehen lässt. Und natürlich habe ich beim Designen des Kastens ein Loch in der Rückwand berücksichtigt, sodass die Box bequem aus Stellagen herausgezogen werden kann.
Stehordner basteln
Die hier ausgestellten Zeitschriftenablagen fertigte ich alle nach demselben Prinzip an. Zunächst einmal holte ich eine handelsübliche Kartonage aus dem Keller, die ich von einer Online-Bestellung übrig hatte. Dann legte ich mir farbiges Tonpapier mit einer Grammatur von 130 g/m² zurecht, um die braunen Containerwände verbinden und verkleiden zu können. Darüber hinaus stellte ich mein Werkzeug zusammen, das aus einer Schere, einem Hobbyskalpell und einem Flüssigkleber bestand. Außerdem kramte ich noch eine Malerkrepprolle hervor, indes sich ein gewöhnliches Paketband genauso gut für die Schablonenverlängerung eignet.
Nachdem ich alle DIN-A4-Bögen ausgedruckt und freigestellt hatte, musste ich die Einzelteile vom zweiten und dritten Schnittmuster an der Markierung A aneinanderkleben, wobei ich einen Malerkreppstreifen als Verbindungsbrücke verwendete. Auch die beiden Rechtecke von der vierten PDF-Seite vereinte ich nach dem gleichen Schema, wodurch ich eine 30 Zentimeter lange Fläche erzeugte. Am Ende der Modifizierungsarbeiten besaß ich vier Schablonen, mithilfe dieser ich mir die folgenden Elemente aus Verpackungskarton zusammenbaute:
- Eine gestreckte Rückenfassade.
- Zwei geräumige Seitenwände.
- Eine kurze Vorderansicht.
- Eine Bodenplatte.
Direkt im Anschluss nahm ich ein Bastelmesser zur Hand, um mit diesem Instrument das Fingerloch aus der Hinterfront auszuschneiden.
Bevor ich den Upcycling-Stehordner aus meinen fünf schablonengerechten Kartonagen zusammensetzen konnte, musste ich zunächst einmal strapazierfähige Verbindungsriemen anfertigen. Hierfür nahm ich Tonpapierstreifen zur Hilfe, die vier Zentimeter breit waren und die ich in der Länge individuell an die Bauteilkanten anpasste.
- So verkleidete ich als Erstes die Umrisse der Bodenplatte mit Zellstoffmodulen, die ich zuvor horizontal in der Mitte geknickt hatte.
Die dadurch entstandenen Markierungslinien in den Gliedstücken dienten mir nämlich als Grenzsteine, entlang derer ich die Fundamentpappe festklebte.
Im nächsten Schritt benetzte ich die freie Hälfte eines Verbindungsriemens, welche von einer langen Bodenkante wegschaute mit Flüssigkleber. Gleich danach stellte ich eine Seitenwand so auf das glibberige Tonpapier, dass diese eng am Kartonsockel anlag. Infolgedessen klappte ich die feuchte Lasche nach oben und machte das elastische Winkelelement am Fuße der Stehordnerflanke fest.
- Nach dem gleichen Prinzip brachte ich dann den zweiten Flügel auf der gegenüberliegenden Schuberseite an.
Auch beim Anfügen der gelochten Hinterfront und der kurzen Vorderansicht wiederholten sich die vorangegangenen Arbeitsschritte.
Das Gerüst fixieren
Als mein Stehordner dann als solcher zu erkennen war, musste ich das Ablagebehältnis weiter stabilisieren.
Hierfür wendete ich wieder das bewährte Nasenzwicker-Prinzip an: Das heißt, ich schlug die Kontaktstellen mit vier Zentimeter breiten Tonpapierstreifen ein, die ich vor dem Ankleben in der Mitte geknickt hatte. Im Anschluss an diese Versteifungsmaßnahme war die Upcycling-Box prinzipiell einsatzbereit, besaß aber naturgemäß ein vogelwildes Shabby-Chic-Design, das ich in jedem Fall kultivieren wollte.
Dementsprechend nahm ich erneut meine Schablonen zur Hilfe, um eine auf das Objekt abgestimmte Außenverkleidung herzustellen, die ich teilweise mit meiner Sizzix Big Shot⁸ Maschine prägte sowie mit Acrylfarben akzentuierte.
- Der dekorierte Überzug verschönert den Stehordner aber nicht nur, sondern verlängert auch dessen Haltbarkeit.
So schnitt ich das Papiergewand beispielsweise an der Rückenöffnung mit einem Bastelmesser zum Stern ein, sodass ich die Zacken nach innen umschlagen konnte, wodurch das häufig genutzte Eingriffsloch langfristig vor Beschädigung geschützt wurde.
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¹Neelsen, Wiebke: Die Tricks im Online-Handel: Boom mit Schattenseiten. NDR (2021).
²Moll, Stefan: Knickerbocker. digit.wdr.de (03/2022).
³Rompa, Helmuth: Millionendiener - Bericht über einen Versandhaus-Magnaten. ARD (1972).
⁴Wille, Karola: Weihnachtsstress im DDR-Versandhandel. mdr.de (03/2022).
⁵Ruzas, Stefan: Nur noch kurz die Welt retten. In: ÖKO-TEST Nr. 1 (2020). S. 29.
⁶Oppermann, Hans: 315 Millionen Onlinebestellungen. In: ÖKO-TEST Nr. 12 (2021). S. 92.
⁷Exakte Maße: Höhe 300 Millimeter x Tiefe 250 Millimeter x Breite 80 Millimeter.
⁸Schott, Vera: Kurz vorgestellt: Sizzix Big Shot. youtube.com (03/2022).
Belle sagt:
Herzlichen Dank für die Schablonen! Als ich letztens in meinem Keller war, hatte ich auch die Idee, meine ganzen Altkartons in Ordner zu verwandeln, nur wusste ich ehrlich gesagt nicht, wie ich vorgehen sollte. Ein Tipp von mir: Jeder hat bestimmt Reste von Geschenkpapier zu Hause, die sich eigentlich nicht mehr zum Verpacken eignen. Mit solchen Abschnitten lassen sich die Ordner auch wunderbar verkleiden. Ich grüße alle, die das lesen, lg Belle.
Sienne Wassmann sagt:
Seit heute Vormittag sitze ich auf unserer Terasse und bastle deine Zeitschriften-Ordner nach. So lange wollte ich schon solche Ablagen basteln, weil wir verschiedene Abos laufen haben und sich die Zeitschriften überall stapeln. Aber nie hatte ich die Motiviation, bis jemand das dritte Bild in einer WhatsApp-Gruppe gepostet hat.
Das Basteln macht so viel Spaß und ist so einfach, eine herrliche Wochenendbeschäftigung. Ich habe noch einen Kleber für Servietten-Technik zu Hause, damit verschönere ich dann später noch die Außenseiten.
Ich grüße alle Bastelfeen und möge der Sommer wettertechnisch so weitergehen!
Simone Omescu sagt:
Geilo du liebe gute Frau du! Ich habe einen Ordnungsfimmel par excellence und kann es überhaupt nicht ab, wenn etwas rum liegt. Ausgelesene Zeitschriften habe ich bisher in einen Rattankorb verbannt. Irgendwie kann man sich ja doch nicht von diesen Dingen trennen. Jetzt will ichs mal mit Ordnern aus alten Schuhkartons probieren. Supi dupi danke dir ...
Omi Rosi sagt:
Liebe Leute, in unserer Abstellkammer lagern hunderte von Zeitschriften. Wir bringen es nicht übers Herz sie einfach wegzuwerfen. Mein Mann und ich haben zwei Kinder und drei Enkel und vielleicht kann irgendwer mal etwas damit anfangen. Also überlegte ich, wie sich meine Zeitschriften besser lagern ließen und machte mich auf die Suche. Die Fotos deiner Stehordner haben mich gleich angesprochen. Außerdem bastle ich liebend gerne.
Nun verweile ich schon seit über zwei Tagen auf dieser Internetseite und habe es geschafft, einen Stehordner fertig zu machen. Es funktioniert prima, ist stabil aber gefällt mir noch nicht so gut, wie deine. Also mache ich die Tage weiter und überlege, wie ich die Kartonage verkleiden kann.
Auf jeden Fall vielen Dank für die schöne Anleitung.
Übrigens will ich noch sagen, dass meine Mutter schon in den späten 1940er-Jahren bei Quelle bestellt hat, weil du darüber geschrieben hast. Ich bin 1953 geboren und Versandkataloge waren da schon normal.