„Was schenken wir nur Mutti?”, fragten sich Ehemänner, Töchter und Söhne schon in der guten alten Zeit. Die Werbung im Jahre 1964 behauptete, dass Haushaltsartikel zu unrecht¹ einen schlechten Ruf hätten, weshalb unter westdeutschen Tannenbäumen ein Servierwagen² mit Warmhaltetabletts auf so manches Heimchen wartete. Und wenn es der Geldbeutel zuließ, dann gab es für die Gattin eine adrette Küchenschürze mit frisurschützender Haube als Bonus obendrauf. Mussten die Frauen in der Bonner Republik vor allem gut kochen und bedienen können, sollen ihre emanzipierten Nachfahrinnen vorwiegend auf ihr Erscheinungsbild achten. Oder wie ist es sonst zu erklären, dass Kosmetikartikel nach Gutscheinen zu den beliebtesten Weihnachtsgeschenken zählen?
Am liebsten werden hierzulande Gutscheine verschenkt, gefolgt von Kosmetikartikeln.
Ungern-Sternberg, Tanja von & Maren Winter: Alle Jahre wieder - Abenteuer Geschenkekauf. BR Fernsehen (2020).
Dabei gelten Parfümfläschchen als besonders enttäuschungsresistente Präsente, da 64%³ der Bundesbürger ohnehin regelmäßig einen Duft auftragen. Festlich verpackte Kosmetik-Sets sind ebenfalls eine sichere Bank und werden gerne von Beschenkten entgegengenommen.
Allerdings lauert hier eine Kostenfalle. Schließlich wissen die Drogerie-Ketten, dass die Menschen hierzulande durchschnittlich 472,00 Euro⁴ für Weihnachtsgeschenke ausgeben, weswegen die schicken Boxen zu überhöhten Preisen angeboten werden. Zumindest wäre es viel günstiger, die Produkte einzeln zu kaufen und auf die unnützen Beilagen zu verzichten.
Der Preis für das NIVEA-Set: 12,99 Euro. Für die einzelnen Produkte zahlt man in der Drogerie 7,54 Euro. Die Socken kosten also umgerechnet 5,45 Euro mehr.
Müller, Anneke: Kosmetik-Geschenke: Nepp oder Schnäppchen? Markt - Das Verbrauchermagazin des NDR (2021).
Bisher dürfte der Aufpreis für Kosmetik-Sets vielen Geschenkjägern egal gewesen sein. Denn den meisten geht es ja gar nicht um die enthaltene Bonuskerze oder die Müslischale, sondern darum, dass die Produkte so schön verpackt sind. Doch seit dem Jahre 2022 ist alles anders. Das jahrzehntelange Geldmengenwachstum im Euroraum gepaart mit den Auswirkungen des Russisch-Ukrainischen Krieges haben nämlich den Inflationsteufel aus der Kiste springen lassen, wodurch die Deutschen den Gürtel enger schnallen müssen.
Angesichts dieser Preissteigerungen gaben bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, im Auftrag von eBay, 44 Prozent der Befragten an, dass sie an diesem Weihnachtsfest sparen wollen. Vor allem an den Geschenken.
Weik, Sarah: Oh du Teure! In: ÖKO-TEST Nr. 12 (2022). S. 23.
Deshalb lohnt es sich mittlerweile, die prominent platzierten Geschenkboxen zu meiden und stattdessen Einzelartikel zu kaufen. Die Drogistinnen würden die erworbenen Waren sogar kostenfrei einpacken, nutzen hierfür aber ein einheitliches Papier, auf dem zumeist das Firmenlogo ihres Arbeitgebers zu sehen ist. Wer seine Kosmetik-Präsente dann doch lieber etwas festlicher verhüllen möchte, der kann meine edle Weihnachtstüte nachbasteln, die sich perfekt für Parfüm oder Reisegrößen eignet.
Aufgrund ihrer transparenten Seitenwände, die jeweils mit einem heimeligen Häuschen verziert sind, erinnert die 15 Zentimeter⁵ lange Tasche an eine rechteckige Sankt-Martins-Laterne.
- Allerdings fangen die geschwungenen Handgriffe, welche aus Wollfäden gedreht und in Metallösen verankert wurden, den Stilbruch wieder ein und charakterisieren das Behältnis als klassische Tüte.
Im Gegensatz zu den bedruckten Geschenkboxen, die nach dem Öffnen im Müll landen, ist mein hochwertiges Sackerl wie ein Hermann-Teig zum mehrfachen Weiterverschenken geeignet. Das liegt an der hohen Stabilität, die von einem langlebigen Materialmix hervorgerufen wird, den ich in der folgenden Bastelanleitung preisgebe.
Transparente Häuschen
Um sowohl eine enorme Robustheit wie auch eine außergewöhnliche Haptik heraufzubeschwören, stellte ich meine Kosmetik-Verpackung aus drei unterschiedlichen Papiersorten her:
- Fassaden: Tiziano Zeichenpapier aus Hadern (160 g/m²).
- Kerngerüst: Gewöhnliches Tonpapier (130 g/m²).
- Fenster: Einfarbiges Transparentpapier (>60 g/m²).
Dazu nahm ich einen Eyelet-Setter sowie fünf Millimeter große Metallösen zur Hilfe, um extravagante Haltepunkte für die Griffe erzeugen zu können. Apropos Handschlaufen; die beiden Kordeln drehte ich selbst aus zwei gleichlangen Wollfäden. Darüber hinaus kamen als Werkzeuge eine Schere, ein Flüssigkleber, ein Hobbyskalpell, ein Falzbein samt eines Lineals sowie meine PDF-Schablonen zum Einsatz.
Gleich zu Beginn schnitt ich aus meinem Hadern- und Tonpapier jeweils zwei DIN-A4-Bögen zurecht, sodass ich die erste Vorlage direkt auf die Basteluntergründe drucken konnte. Unmittelbar danach stellte ich die vier Häuser im Rahmen frei, was ein langwieriges Unterfangen war.
- Nachdem ich daraufhin die Transparentpapier-Rechtecke von der zweiten Schablone angefertigt hatte, klebte ich immer ein Fenster zwischen ein Kern- und ein Fassadenelement.
Als Nächstes nutzte ich ein Falzbein, um die gelochten Leisten, welche über meinen Bleiverglasungen thronten, in bewegliche Laschen zu verwandeln.
Edle Grifflöcher
Um die obere Angriffsfläche der Weihnachtstüte zu verstärken, bestrich ich die eben erzeugten Zungen zunächst mit Flüssigkleber, ehe ich diese aufeinanderklappte.
Im Anschluss daran stattete ich die Kantenlöcher mit Metallösen aus. Hierbei achtete ich darauf, dass die schmalen Aufschlagseiten ins Behältnisinnere zeigten. In diese Ringverknappungen führte ich dann nacheinander mein Stanzwerkzeug ein, um mithilfe des Federhammers die Hälse der Eyelets aufspringen zu lassen.
Als Nächstes verwendete ich die letzten beiden Schablonen, um die Bodenplatte sowie zwei Verbindungsstücke aus den oben genannten Papiersorten herzustellen.
- Nachdem ich die drei Komponenten angefertigt hatte, legte ich immer ein identisches Schnittmuster auf die Tonpapierseite eines Moduls, damit ich die gestrichelten Linien mit einem Falzbein abpausen konnte.
- Durch diese Maßnahme war es mir nämlich möglich, bewegliche Laschen und den charakteristischen Tütenknick zu erzeugen.
Zu guter Letzt baute ich meinen Kosmetikbeutel zusammen, indem ich die fünf Einzelteile über die dafür vorgesehenen Zungen miteinander verklebte.
Weiche Schlaufen
„Fertig gekaufte Kordeln kommen mir nicht in die Tüte”, dachte ich und versuchte mich an meinen Handarbeitsunterricht in der Grundschule zu erinnern. Daraufhin fiel mir wieder ein, dass meine Lehrerin irgendwas mit einem Wollfaden an einem Türgriff gemacht hatte. Nach einer kurzen Online-Recherche stieß ich tatsächlich auf ein YouTube-Video, in dem Karoline Thalhofer die alte Basteltechnik perfekt vorführt.
Beim Nachmachen und Herumprobieren fand ich heraus, dass der Wollfaden für jeden Weihnachtstüten-Henkel vor dem Halbieren circa einen Meter lang sein sollte. Daraus ergaben sich dann dicke Kordeln, die ich vor dem Einfädeln in die Metallösen auf ungefähr 15 Zentimeter zurechtstutzte, wobei ich hier eher nach Augenmaß arbeitete.
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¹Bratzler, Clemens: Tipps für Weihnachtsgeschenke. SWR Retro - Abendschau (1964).
²Rupprich, Torsten: Geschenke für die Hausfrau. rbb Retro - Berliner Abendschau (1964).
³Eigner, Isabella: Europäer duften gern. In: test Nr. 4 (2022). S. 8.
⁴Honecker, Martin & Peter Ruppert: Geschenke-Rekord zu Weihnachten. Länderspiegel | ZDF (2018).
⁵Exakte Maße: Länge 150 Millimeter x Breite 70 Millimeter x Höhe 135 Millimeter.
Karobluse sagt:
Hey, ich kann viel zum Text und zur Anleitung beitragen! Aaalso gestern war ich bei Douglas für Weihnachten shoppen. Kosten: 637,38€ !! Ich fragte die Verkäuferin, ob sie mir einige der Düfte als Geschenk einpacken könnte. Sie sagte ja, steckte die Düfte in weiße Papiertaschen und klebte einen Douglas-Aufkleber drauf. Dann stapelte sie alles auf dem Thresen.
Ich so: „Könnte ich wenigsten Tüten haben?”, Sie: „Nein, haben wir nicht.” Ich habe die Sachen dann irgendwie unter meine Arme gesteckt und bin gegangen.
Krass, nicht mal Douglas gibt mehr Parfüm-Täschchen heraus. Ich habe dann ein bisschen gegoogelt, ob das überall so ist. Und tatsächlich, in ganz Deutschland beschweren sich Leute, dass nichts mehr verpackt wird.
Und so komme ich zu deiner wunderschönen Anleitung. Ich werde auf jeden Fall zwei deiner Weihnachtstüten basteln, da ich meine wertvollen & durchdachten Geschenke angemessen überreichen möchte. LG
Karina sagt:
Sowas ähnliches ist mir gestern bei Müller passiert. Hatte diverse Spielzeuge gekauft und wollte die verpacken lassen. Hatte sogar zufällig mit der Abteilungsleiterin gesprochen, ob das möglich wäre. Sie sagte nur, dass sie unterbesetzt seien und sie deswegen keine Geschenke verpacken.
Unterbesetzt an einem Adventswochenende? LoL da würde ich mir mal Gedanken machen. Und wenn ich online bestelle, bekomme ich die Sachen immer verpackt. Tjo, kein Wunder, wenn der Einzelhandel vor die Hunde geht, die tun auch wirklich alles dafür.
PS: War eigentlich wegen einer Ausmalvorlage hier, hatte den Kommentar nur gelesen.