Das jährliche Wunschzettelschreiben gehört seit jeher zur Liturgie eines Bildungshaushalts. Die Ursache hierfür liegt im Scheitern¹ der bürgerlichen Revolution von 1848, als die deutsche Weihnacht seine Öffentlichkeit verlor und sich zum heimeligen Familienfest² wandelte. Ging es bis dahin darum, Verwandte und Faktoten mit seinen Habseligkeiten zu beeindrucken, brachte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die pädagogische Entwicklung des eigenen Nachwuchses das ersehnte Prestige. Es war also überaus wichtig, dass die Hauslehrer mit ihren Schützlingen die Wunschlisten für das Christkind orthographisch korrekt und in bester Schönschrift verfassten. Schließlich wollte der gestrenge Vater in illusteren Runden mit den kindlichen Dokumenten prahlen.
Mit viel Hingabe wurden die sehnsüchtig erhofften Geschenke notiert und die Blätter oft noch liebevoll verziert.
Witzmann, Nora, Dagmar Butterweck u. a.: Weihnachten - noch Fragen? Wien: Österreichisches Museum für Volkskunde 2012.
Während der hochindustriellen Phase musste die Himmelspost bis zum 15. Dezember auf der Fensterbank der Kinderstube platziert werden, wenn Zinnsoldaten, Puppen und Schaukelpferde an Heiligabend unter dem Christbaum liegen sollten.
Seit den Anfängen hat sich in Sachen Wunschzettelschreiben wenig verändert. Außer vielleicht, dass mit Einführung der gesamtdeutschen Schulpflicht³ im Jahre 1919 auch Bauern- und Arbeiterkinder damit begannen, Briefe an den christlichen Gabenbringer zu verfassen.
Im Freistaat Preußen wurde eventuell noch der Weihnachtsmann als Empfänger⁴ adressiert, bis das goldblonde Christkind ab 1933 die nationalsozialistische Volksweihnacht endgültig dominierte.
Die Nationalsozialisten hinderte ihre propagierte Religionsfeindlichkeit nicht daran, die Tradition des Nürnberger Christkindlmarktes für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. 1933 fand sich der Rauschgoldengel auf Plakaten wieder.
Weingartner, Claudia: Alles Mythos! 24 populäre Irrtümer über Weihnachten. Darmstadt: WBG 2013.
Währenddessen die Eltern im geteilten Deutschland auf leisen Sohlen die Wunschzettel ihres Nachwuchses einsammelten, verschickten die österreichischen Kinder ihre Sehnsuchtsbriefe ab 1951 direkt mit der Post.
1951 öffnete das zuerst in kleinem Rahmen gehaltene Weihnachtspostamt Christkindl im Gasthaus Baumgartner seine Pforten.
Baumgartner, Georg: Geschichte. christkindlwirt.at (12/2023).
Und obwohl die Niederlassung in Steyr mit Sendungen aus ihrem westlichen Nachbarland überschüttet wurde, sollten noch rund 35 Jahre vergehen, ehe das Christkind Zweigstellen sowohl im nordrhein-westfälischen Engelskirchen⁵ wie auch im bayerischen Himmelstadt eröffnete.
Wunschzettel heute
Im zeitgenössischen Informationszeitalter ist die Post ans Christkind ähnlich pädagogisch wie vor über 170 Jahren. Kaum können die Kita-Kinder ihren Vornamen schreiben, sind die Erzieherinnen⁶ in der Adventszeit darauf erpicht, liebliche Wunschzettel mit ihren Schützlingen zu formulieren. Ebenso spielt die Verzierung⁷ der Sehnsuchtsbriefe eine genau so große Rolle wie früher. Also eigentlich alles wie immer? Leider nicht. Beschränkten sich die Kinderwünsche bis zum Millennium fast vollständig auf materielle Dinge, soll das Christkind heutzutage immer häufiger Frieden schaffen, die eigene Genesung vorantreiben oder die getrennten Eltern wiedervereinigen.
Doch eine Box ist anders, um sie kümmert sich Rosemarie Schotte persönlich. Der Inhalt dieser Briefe geht unter die Haut.
Schubert, Karin: Christkind erwartet 80.000 Briefe. Frankenschau aktuell | BR Fernsehen (2022).
Darüber hinaus leben zwar immer mehr Menschen in Deutschland, aber gleichzeitig können sich immer weniger Bundesbürger vorstellen, wie eine Wunschliste ans Christkind aussieht.
Für all diejenigen, die nicht in einen traditionsreichen Bildungshaushalt hineingeboren wurden, haben wir von GWS2.de eine Briefvorlage zum Ausmalen und Ausdrucken entwickelt.
- Dabei richtet sich unser DIN-A4-Vordruck an Grundschüler, die gerade mithilfe der Einser-Lineatur das Schreiben lernen.
- Indes sind Kinder ab fünf Jahren in der Lage, die zuckersüße Adventsszenerie zu kolorieren. Hierauf zeigen Amelie und ihr kleiner Bruder „Gucki”, wie sie mit dem engelsgleichen Gabenbringer in Kontakt treten.
Außerdem befindet sich auf der bildlich-verzierten Blanko-Liste kein Wasserzeichen, sodass diese nach dem Bearbeiten völlig neutral an eine nahe gelegene Weihnachtspostfiliale gesendet werden kann.
Auf manchen Weihnachtsmärkten nimmt das örtliche Christkindl die Wunschzettel zur Weiterleitung entgegen.
Das Christkind kommt nur an Weihnachten auf die Erde. Das Christkindl vertritt das Christkind.
Mansuroglu, Can: Der Christkind-Check. Checker Reportagen | KIKA (2020).
Viele Städte stellen aber auch sogenannte „Himmlische Briefkästen” inmitten des Budenzaubers auf. Beide Optionen bieten die Gelegenheit, seine Sehnsuchtsbriefe portofrei an den beliebten Goldrauschengel zu schicken.
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¹Göttert, Kart-Heinz: Weihnachten. Biographie eines Festes. Ditzingen: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH 2020.
²Witzmann, Nora, Dagmar Butterweck u. a.: Weihnachten - noch Fragen? Wien: Österreichisches Museum für Volkskunde 2012.
³Vetter, Veronika Helga: Vordruck: Entschuldigung für Schule herunterladen - Unterrichtsbefreiung. gws2.de (12/2023).
⁴Mansuroglu, Can: Der Christkind-Check. Checker Reportagen | KIKA (2020).
⁵Müller, Birgit: Christkindpostfiliale der Deutschen Post. engelskirchen.de (12/2023).
⁶Füssenich, Iris, Carolin Geisel u. a.: Literacy im Kindergarten. Vom Sprechen zur Schrift. 2., überarbeitete Auflage. München: Ernst Reinhardt Verlag 2018.
⁷Schmidt-Roy, Antoine: Briefe ans Christkind - Wunschzettel für Weihnachten. youtube.com (12/2023).
SalvatoreMio sagt:
Wissen Sie, was mir an Ihrem Wunschzettel am besten gefällt? Sie haben christliche Symbole verwendet! Das ist leider sehr selten geworden. Außerirdische könnten denken, dass die Europäer im Winter dicke Männer und Nadelbäume verehren, so weit ist Christus an Weihnachten in die Ferne gerückt. Bei Ihnen nicht, vielen Dank.