Was ist vorwiegend männlich¹ und hetzt am Vormittag des 24. Dezembers durch die Fußgängerzone? Richtig, ein Last-Minute-Käufer. Erstaunlicherweise besorgen rund 6%² der Deutschen ihre Weihnachtsgeschenke auf den allerletzten Drücker. Wer seine milden Gaben auf diese Art und Weise beschafft, der muss jedoch gehörige Abstriche machen. Denn wie am Ende jeder Ü30-Party, stehen im Einzelhandel kurz vor Heiligabend nur noch makelbehaftete Ladenhüter zur Auswahl. Aus diesem Grund ist es auch erwiesen, dass Notkäufe besonders schnell im Keller³ landen. Doch zum Glück gibt es mittlerweile Geschenkkarten. Das sind die rechteckigen Plastikplatten mit bunten Werbeaufdrucken, die auffällig in den Kassenbereichen hängen und besonders die Augen von Internetfreunden zum Leuchten bringen.
Die handlichen Glücklichmacher kamen Mitte der 1990er-Jahre⁴ in den USA in Mode. Die Ursache dafür war, dass klassische Papiergutscheine immer häufiger mithilfe von Heimcomputertechnik nachgemacht⁵ wurden und die Unternehmen nach einer fälschungssicheren Alternative suchten. Bereits seit 2007 gehören die scheckkartenförmigen Geldersatzmittel in ihrem Mutterland zu den beliebtesten Weihnachtsgeschenken. Doch ähnlich wie bei uns werden auch in den Vereinigten Staaten etwa 33%⁶ der Wertmarken nicht eingelöst, weshalb die Yankees zwischenzeitlich auf einem Prepaid-Guthaben von 21 Milliarden US-Dollar sitzen.
Jessica Dickler: Before this pandemic, americans were sitting on roughly 21 billion dollars in unused gift cards.
Geeter, Darran: What Happens To Unspent Gift Cards? youtube.com (12/2021).
Verglichen mit den USA führen die schicken Kunststoffkarten in Deutschland weitestgehend ein Schattendasein, was nicht zuletzt am ausgeprägten Umweltbewusstsein der Bundesbürger liegen dürfte. Wobei diesbezüglich in den letzten Jahren ein Umdenken stattfand und die hängenden Selbstbedienungsgutscheine immer häufiger aus Zellstoff bestehen. Doch komisch ist das trotzdem: Aus irgendwelchen Gründen sind die praktischen Plastikplatten ein relativ unbeliebtes Weihnachtsgeschenk, obwohl sie sich vorwiegend auf Online-Angebote beziehen, die im Land der Richter und Henker exzessiv genutzt werden.
So besitzt bereits jeder Vierte⁷ ein kostenpflichtiges Audio-Streaming-Abo. Darüber hinaus nutzen 76%⁸ der Bundesbürger eine Internetleitung, um Serien oder Filme zu konsumieren. Und bei Videospielen sind die vermeintlich humorlosen Deutschen ohnehin vorne mit dabei. Oder wie ist es sonst zu erklären, dass die Menschen hierzulande im Jahre 2020 rund 2.264 Millionen Euro⁹ für In-App-Käufe ausgegeben haben?
- Eine Guthaben-Aufstockung für den PlayStation-Store, ein mehrwöchiger Spotify-Premium-Service oder einfach nur digitales Google-Geld zum Verprassen sollte also von den allermeisten Beschenkten wertgeschätzt werden.
Auf der anderen Seite kommen die Gutscheinkärtchen aus dem Discounter doch recht alltäglich und unpersönlich daher. Dieses Problem lässt sich jedoch sehr leicht lösen, indem der Gabenbringer eine individuelle Verpackung bastelt.
Aber gerade wenn es nur noch ein paar Stunden bis zur Bescherung sind, gehört die Zeit zu den größten Feinden des Last-Minute-Käufers. Doch genau für dieses Szenario eigenen sich meine selbst gemachten Umschläge besonders gut, da sie sich in Windeseile und ohne übermäßigen Materialaufwand herstellen lassen.
- So sind lediglich Papier, eine Schere, ein Lineal, etwas Kleber und meine PDF-Schablonen vonnöten, um ein liebloses Plastikkärtchen in ein persönliches Geschenk zu verwandeln.
Manche werden jetzt vielleicht denken: „Gibt es Kuverts mit witzigen Tiergesichtern nicht bereits hundertfach im Internet zu finden?” Meine Behältnisse zeichnen sich jedoch dadurch aus, dass sie exakt auf das Format¹⁰ von Kunststoffgutscheinen zugeschnitten sind, wobei ich den Kartenträger ebenfalls mit berücksichtigt habe. Ferner stelle ich in den folgenden Abschnitten eine detaillierte Faltanleitung zur Verfügung, die selbst blutigen Origami-Anfängern zu einem schnellen Erfolgserlebnis verhilft.
Die Vorbereitung
Für die Herstellung eines animalischen Umschlags verwendete ich einen handelsüblichen Tonpapierbogen, wobei sich die Gutscheinverpackung auch aus jedem anderen Papier zusammenbauen ließe. Doch bevor es losgehen konnte, musste ich zuallererst ein Quadrat auf mein Basismaterial aufzeichnen, das an jeder Seite eine Länge von 225 Millimetern aufwies. Nachdem ich das regelmäßige Viereck infolgedessen ausgeschnitten hatte, drehte ich das Ganze zum Karo und legte es flach vor mich hin.
Direkt im Anschluss zog ich die linke Flügelspitze nach oben und führte sie um acht Zentimeter nach innen, ehe ich eine neue Faltlinie erzeugte. Dann wiederholte ich die vorangegangenen Kunstgriffe auf der gegenüberliegenden Seite, woraufhin ich die horizontale Fläche des Papiers auf 160 Millimeter verkleinerte.
Als Nächstes stellte ich die Rückansicht eines Briefumschlages her, indem ich den zu mir zeigenden Zacken anhob und zwölf Zentimeter zur Mitte bewegte.
- Nachdem ich einen Teil der zuvor eingeschlagenen Seitenflanken bedeckt hatte, knickte ich das Ganze zu Boden, um den Südflügel gleich danach wieder in seine Ausgangsposition zu bringen.
Dann faltete ich die untere Spitze erneut, wobei ich die Nase diesmal nur um 55 Millimeter nach innen bog. Daraufhin entstand ein gleichschenkliges Dreieck, welches das Zentrum der nachfolgenden Schritte bildete.
So erzeugte ich diagonale Laschen an den beiden Bodenspitzen des Trigons, die jeweils zwei Zentimeter breit waren. Unmittelbar danach holte ich die imaginäre Abrissbirne raus und faltete das untere Drittel meines Papiers wieder auseinander, da es mir bisher lediglich um die Faltlinienerstellung gegangen war.
Der Origami-Umschlag
An der Stelle, an der ich die Bastelschritte rückgängig gemacht hatte, drückte ich nun die diagonalen Flanken entlang der vorgezeichneten Spuren nach innen, woraufhin sich fast automatisch ein Fünfeck in der Mitte des unteren Blattendes bildete.
Als Nächstes erschuf ich die Einschubtasche des Kuverts, indem ich die eben bearbeitete Fläche an der Zwölf-Zentimeter-Markierung nach oben klappte und im Anschluss daran die beiden gegenüberliegenden Dreiecksflügel hinter dem Pentagon einrasten ließ.
Ganz zum Schluss führte ich die obere Spitze neun Zentimeter nach unten, ehe ich eine neue Faltlinie erzeugte. Mit dem Basteln des Verschlusses hatte ich dann meinen Umschlag für Geschenkkarten endgültig fertiggestellt. Nun verzierte ich noch die Rückseite der selbst gemachten Gutscheinhülle. Hierfür stellte ich mithilfe meiner Schablonen diverse Tonpapierapplikationen her, die ich zu einem Tiergesicht arrangierte und nach dem Bemalen auf mein Origami-Motiv aufklebte.
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¹Deuker, Oliver: Last-Minute Weihnachtsgeschenke besorgen. ZDF „heute” um 19 Uhr (2019).
²Schumacher, Birgit & Annette Dohrmann: Wertvoll ist das neue teuer. In: ÖKO-TEST Nr. 12 (2015). S. 81.
³Tölle, Katja: Faires Fest. In: ÖKO-TEST Nr. 12 (2019). S. 26.
⁴Buchanan, Matt: The Vile History of Gift Cards and How They Came to Destroy Christmas. gizmodo.com (12/2021).
⁵Eveleth, Rose: Smart News: The Gift Card Was Invented by Blockbuster in 1994. smithsonianmag.com (12/2021).
⁶Vetter, Veronika Helga: Umschlag für Geschenkgutschein - weihnachtliche Motive mit Schablone basteln. bastelkommission.de (12/2021).
⁷Stocker, Anita: Elf Euro für Musik. In: test Nr. 9 (2020). S. 22.
⁸Stocker, Anita: Maßgeschneiderte Unterhaltung aus dem Netz: Der Zuschauer stellt sein Programm selbst zusammen. In: test Nr. 1 (2017). S. 36.
⁹Akinci, Nick & Joerg Heidrich: Teures Vergnügen. Mit Zauberbeeren in den Ruin: Kostenfalle „Free to Play“. In: c’t Nr. 19 (2021). S. 171.
¹⁰Exakte Maße eines Umschlags: Länge 160 Millimeter x Breite 105 Millimeter.