Ungefähr 3500 Jahre vor Christus¹ fanden an den oberägyptischen Nilufern richtungsweisende Ereignisse statt, welche die Entwicklung des Homo sapiens nachhaltig beeinflussten. Zu jener Zeit erwirtschafteten sesshaft gewordene Siedler erstmals in der Geschichte gezielte Getreideüberschüsse. Durch die von da an regelmäßig erzeugten Nahrungsreserven musste in den Gauen niemand mehr hungerleiden, wenn Dürren oder starke Regenfälle den jährlichen Ernteertrag geschmälert hatten. Von den prall gefüllten Kornspeichern zehrten allerdings nicht nur Zweibeiner, sondern auch Nagetiere. Insbesondere Mäuse, Ratten und Erdhörnchen invadierten die urbanen Flussgebiete, um sich aus den Vorratskammern zu bedienen. Dieser Umstand lockte wiederum nachtaktive Falbkatzen an, die normalerweise einen großen Bogen um die lärmenden Dörfer machten. Doch warum sollten sich die ausgefuchsten Schleichjäger weiterhin mit Schlangen, Skorpionen und Spinnen herumschlagen, wo es plötzlich zivilisierte Orte gab, an denen sich wehrlose Beute tummelte. Mit ihrem aufdringlichen Verhalten rannten die Samtpfoten bei den emsigen Altägyptern offene Türen ein, da bei einer weiteren Schädlingsausbreitung eine existenzbedrohende² Lage entstanden wäre.
Wer weiß, vielleicht wäre Ägypten ohne die Katze nie die Kornkammer Nordafrikas geworden.
Hoehne, Kirsten & Nanje de Jong-Teuscher: Geschichte der Tiere: Die Katze (Vorschau). youtube.com (05/2021).
Das Futterangebot in den kupfersteinzeitlichen Wirtschaftsgemeinschaften war für Afrikanische Wildkatzen³ so gut, dass immer mehr Fellnasen ein Revier in den Menschensiedlungen gründeten. Das enge Zusammenleben mit Artgenossen erforderte eine große Anpassungsleistung von den Raubtieren, die als Einzelgänger⁴ ursprünglich keine anderen Lauerjäger in ihrer Nähe duldeten.
Dass Falbkatzen die Fähigkeit zur Selbstdomestikation⁵ besitzen, bewiesen die cleveren Schoßtiger schon mehrmals in der Geschichte. Bereits 8800 Jahre vor Christus wurden gezähmte Miezen von Anatolien nach Zypern und später auf den Balkan gebracht.
Dieser einzelne Zehenknochen beweist, dass der Mensch bereits 8800 Jahre vor Christus Katzen auf Zypern eingeführt hat.
Gonzales, Éric & Paul-Aurélin Combre: Comment le chat a conquis le monde. youtube.com (05/2021).
Doch im Gegensatz zu Hunden sind Katzen keine Wandertiere. Aus diesem Grund wilderten die überführten Geschöpfe auf dem europäischen Festland schnell wieder aus. Erst bei den Alten Ägyptern fanden die eigensinnigen Freigänger die Voraussetzungen, um sich langsam in häusliche Stubenhocker zu verwandeln.
Die Hauskatze
Es dürfte um 2600 vor Christus gewesen sein, als urban lebende Falbkatzen den Schritt zum Haustier machten. Dies ließ sich vor allem an äußerlichen Merkmalen erkennen. So musste die kleinere Felis catus nicht mehr zwangsläufig⁶ ein sandfarbenes Fell mit Tabby-Muster besitzen, da gebändigte Wohnzimmertiger von ihren Herrchen geschützt und versorgt wurden.
In einer Grabanlage, die auf die Zeit um 2600 vor Christus datiert wird, befindet sich ein Wandgemälde, das eine Katze mit Halsband zeigt.
Costantino, Maria: Handbuch Katzenrassen. München: Bassermann Verlag 2005.
Ein weiteres Indiz für die abgeschlossene Domestikation war, dass die pelzigen Vierbeiner zu Zeiten des Mittleren Reiches⁷ eine Miau-Sprache entwickelten. Dabei setzten die Katzen ihre ausgestoßenen Laute auf die Tonhöhe⁸ von Babygequengel, um die Aufmerksamkeit ihrer Besitzer zu erhaschen. Ohne den Menschen hätten die Samtpfoten keine verbale Kommunikationstechnik benötigt, da sie ursprünglich ihre Duftdrüsen für die Verständigung einsetzten. Vermutlich 1800 Jahre vor Christus nahmen einflussreiche Hohepriester ihre Miezen noch einmal genauer unter die Lupe. Schnell kamen die Theologen zu dem Ergebnis, dass geschwätzige Mäusejäger, die beim Streicheln die Pulsfrequenz senken und obendrein so drollig aussehen, nicht von dieser Welt sein konnten. Dementsprechend wurden Hauskatzen zu den irdischen Vertretern der Mondgöttin Bastet erhoben.
Der Göttin Bastet war eine ganze Stadt geweiht: Die Katzennekropole Bubastis, eine Stadt der verstorbenen Katzen sozusagen.
Quebbemann, Britta: Eine kleine Geschichte der Hauskatze. In: Karfunkel Nr. 107 (2013). S. 25.
Hunderttausende pilgerten mehrmals im Jahr in die unterägyptische Stadt Bubastis, um ihre mumifizierten Hauskatzen in Grabkammern beisetzen zu lassen. Wer gerade keinen toten Stubentiger zur Hand hatte, der konnte Bastet trotzdem ein Opfer bringen. Hierfür boten örtliche Kultdiener vasenförmige Leinensärge an, die konservierte Einzelteile von Katzenleichen enthielten. Diese ungewöhnlichen Souvenirs fanden reißenden Absatz, obwohl für die Gewinnung der Gefäßinhalte massenweise Tiere hingerichtet wurden.
Die Mehrheit der Tiere wurde im Alter von weniger als zwei Jahren (wahrscheinlich zeremoniell) durch Genickbruch geopfert.
Turner, Dennis C.: Turners Katzenbuch. Wie Katzen sind, was Katzen wollen - Informationen für eine glückliche Beziehung. Stuttgart: Franckh-Kosmos Verlags-GmbH 2004.
Erst im Jahre 390 nach Christus⁹ beendeten die Ägypter ihre grausamen Opferrituale. Zu jener Zeit hatten sich Hauskatzen längst im Römischen Reich ausgebreitet und die stinkenden Frettchen als Mäusefänger verdrängt.
Im Alten Rom ersetzt die Katze als Haustier sogar das damals beliebte Frettchen.
Nellissen, Katja: Katzen und Menschen - eine ganz besondere Beziehung. Planet Wissen (2019).
Mit den Legionen kamen die Samtpfötchen dann nach Germanien, wobei die domestizierten Raubtiere in den ostrheinischen Gebieten erst ab dem 5. Jahrhundert¹⁰ heimisch wurden.
Das Christentum
Im Frühmittelalter waren die eingeschleppten Katzen im heutigen Deutschland äußerst beliebt. Die Dorf- und Klostergemeinschaften achteten sehr auf ihre Schädlingsbekämpfer und wer den Fellnasen ein Leid zufügte, der hatte mit drakonischen Strafen zu rechnen. Nach Karl dem Großen zogen die Stubentiger ebenfalls in die Schlösser des Adels ein, um die Schöße und Betten der Hofdamen warmzuhalten.
Doch zum Ende des 12. Jahrhunderts verschlechterte sich die interspezifische Wechselbeziehung. Nach der wirkungsstarken Äbtissin Hildegard von Bingen¹¹ wohnten in Katzen unheilvoll-dämonische Kräfte. Später hetzte auch der populäre Volksprediger Berthold von Regensburg gegen die Seidenpfoten, da sie seiner Meinung nach zur Verbreitung der Pest¹² beitrugen. Zudem galten die Miezen als eitel, triebhaft und hinterlistig, was so gar nicht zum christlichen Tugendkatalog passte. Plötzlich wurden die nützlichen Vierbeiner zu diabolischen Wesen erklärt und im besten Fall verjagt. Bald darauf kamen die verteufelten Mäusefänger aber nicht mehr so leicht davon. Denn ab dem Jahre 1484 waren die Inquisitoren von Papst Innozenz VIII. zur Hexenjagd ermächtigt. Und wie seinerzeit jeder wusste, konnten sich verdächtige Furien in Katzen verwandeln, weshalb diese Tiere unbedingt brennen mussten.
Mit Gottesfrevlern und Hexen wurde auch die Katze in die Hölle verdammt und zum Spielball der Inquisition, auf deren Befehl hin unzählige Katzen durch Feuer, Schwert oder auf andere Weise getötet wurden.
Wenzel, Hubert von: Mittelalterliche Katzenverfolgung durch die „heilige“ Kirche. hubwen12.wp.com (05/2021).
Bis zur Hochrenaissance verendeten hierzulande so viele Hauskatzen auf loderten Scheiterhaufen, dass sie mancherorts vom Aussterben bedroht waren. Durch den Mangel an lokalen Miezen boten fahrende Händler für besondere Anlässe wie Kirchweih, Walpurgisnacht oder dem Johannistag eingefangene Streuner an, welche der abergläubische Pöbel in ein Feuer werfen konnte.
Eine Quittung aus dem Jahre 1573 lieferte den Beweis, dass es bezahlte Lieferanten für die Johannisfeuerkatzen gab.
Müller, Brigitte: Tradition der Katzenopferung. catplus.de (05/2021).
Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts endete die systematische Katzenverfolgung. Zu dieser Zeit wurde Frankreich wieder einmal von einer Pestwelle heimgesucht, die sich bis nach Hamburg¹³ ausdehnte. Des Weiteren fielen ostasiatische Wanderratten in das Heilige Römische Reich ein, die das aufgeklärte Europa von nun an wieder mit Stubentigern bekämpfte.
Ein Wirtschaftsfaktor
Währenddessen die abendländische Inquisition scharenweise Hexentiere in den Feuertod schickte, gehörten Schiffskatzen längst zu den Besatzungen von ehrfürchtigen Piratenbooten. An Board dienten die Samtpfoten vor allem als Glücksbringer, sollten aber ebenfalls Nagetiere fernhalten. Nachdem die Spitzöhrchen dann wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen wurden, stattete vor allem die britische Kriegsmarine¹⁴ ihre Segelflotte mit nützlichen Schleichjägern aus. Die Royal Navy soll es auch gewesen sein, welche die Miezen im Jahre 1749 in Nordamerika einführte.
Im viktorianischen Zeitalter begann der Mensch damit, das Aussehen der Mäusefänger zu verändern. Bis zur ersten Londoner Katzenausstellung im Jahre 1871 hatten die Züchter bereits über 140 Mutanten hervorgebracht, wobei die damals neuartige Siamkatze alle Konkurrenten in den Schatten stellte. Während dieser Messe wurde auch die Britisch Kurzhaar zum ersten Mal präsentiert, die heute zur beliebtesten Rasse der Deutschen gehört. Hielten die Bundesbürger den Hunden lange die Treue, verdoppelte¹⁵ sich hierzulande zwischen dem Millennium und der Corona-Krise die Katzenpopulation, weshalb Stubentiger mittlerweile zu den meistgewählten Haustieren zählen.
13,7 Millionen Samtpfoten leben in Deutschland, fast jeder vierte Haushalt zählt eine Katze zu seinen Bewohnern.
Kentrath, Anna: Haustiere in Zahlen. In: Centaur. Ausgabe Nr. 4 (2019). S. 65.
Viel Leid mussten die Miezen in der Vergangenheit ertragen. Als Wiedergutmachung dürfen Fellnasen in der Gegenwart täglich bis zu 18 Stunden schlafen und die Mäusejagd nur noch als Freizeitsport betreiben. Die meisten Reparationszahlungen in Deutschland leisten die 65.000 Weimarer, die rund 10.000 Katzen durchfüttern.
Weimar ist die heimlichen Katzenhauptstadt Deutschlands. Hier leben 65.000 Menschen und geschätzte 10.000 Katzen.
Treusch, Martina: Wilde Miezen. Katzen allein unterwegs. youtube.com (05/2021).
Damit tragen die tierlieben Thüringer unweigerlich dazu bei, dass 40%¹⁶ der mitteleuropäischen Hauskatzen stark übergewichtig sind. Ein wohlgenährter und gepamperter Stubentiger ist aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive jedoch äußerst wertvoll. Schließlich hängen hierzulande circa 70.000 Jobs von der Katzenversorgung ab. Hinzu kommt der katzenspezifische Umsatz des Einzelhandels, der im Jahre 2019 bei 3,9 Milliarden Euro¹⁷ lag.
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¹Siewert, Frauke: Entwicklung der Ernährungsforschung bei der Katze (bis 1975). d-nb.info (PDF) (05/2021).
²Hoehne, Kirsten & Nanje de Jong-Teuscher: Terra X: Geschichte der Tiere: Die Katze. youtube.com (05/2021).
³Kothe, Hans W.: Raubkatzen: Arten, Lebensräume, Verhalten. Köln: Komet Verlag 2011.
⁴Nasser, Nadya: Katzen. Nürnberg: Tessloff Verlag 2006 (= WAS IST WAS TV).
⁵Grotegut, Heike: Katzen und Menschen - eine ganz besondere Beziehung. Planet Wissen (2019).
⁶Doku Star 2015: Alles über Katzen. youtube.com (05/2021).
⁷Turner, Dennis C.: Turners Katzenbuch. Wie Katzen sind, was Katzen wollen - Informationen für eine glückliche Beziehung. Stuttgart: Franckh-Kosmos Verlags-GmbH 2004.
⁸Gonzales, Éric & Paul-Aurélin Combre: Comment le chat a conquis le monde. youtube.com (05/2021).
⁹Quebbemann, Britta: Eine kleine Geschichte der Hauskatze. In: Karfunkel Nr. 107 (2013). S. 26.
¹⁰Hengerer, Mark: Die Katze in der Frühen Neuzeit. Stationen auf dem Weg zur Seelenverwandten des Menschen. uni-konstanz.de (PDF) (05/2021).
¹¹Schels, Peter Carl August. Hexentiere. mittelalter-lexikon.de (05/2021).
¹²Klever, Ulrich: Knaurs Grosses Katzenbuch: Die wunderbare Welt der Seidenpfoten. Augsburg: Bechtermünz Verlag 2001.
¹³Diedrich, Oliver: Als die Pest den Tod nach Hamburg brachte. ndr.de (05/2021).
¹⁴Petry, Jonathan: Schiffskatzenmaler. artflakes.com (05/2021).
¹⁵Goblirsch, Maria: Vom Schmusetiger zur Landplage. Die Katzenhilfe Würzburg kämpft gegen den Katzenjammer in Mainfranken. In: Franken - Magazin für Land und Leute. Nr. 5 (2011). S. 64.
¹⁶Maydell, Silvia von & Klaus Dahm: Zu gut im Futter. In: My Life. Ihre Gesundheit. Ihre Apotheke. Nr. 15 (2019). S. 12.
¹⁷Stocker, Anita: Nur die Guten ins Näpfchen. In: test Nr. 5 (2020). S. 70.