Im Jahre 2013 war die deutsche Bevölkerung tief gespalten. Währenddessen eine knappe Mehrheit dem FC Bayern München die Daumen für das UEFA-Champions-League-Finale drückte, wünschte die Gegnerfraktion Borussia Dortmund den Sieg. Ansonsten gab es zu jener Zeit zumindest in Mitteleuropa keine bedeutsamen Probleme. Lediglich ein paar Buchautoren¹ ahnten voraus, dass die bundesrepublikanische Gesellschaft bald schon einen heterogenen Anstrich mit muslimischer Prägung erhalten würde. Und abgesehen von einzelnen Untergangspropheten hatte auch niemand eine bevorstehende Pandemie oder den expansiven Preisanstieg bei Verbrauchsgütern auf dem Schirm. Aber ganz so verschlafen ging es dann doch nicht zu. Schließlich fand neben dem erwähnten Fußballereignis noch ein beachtenswertes Phänomen statt, welches den auenländischen Frieden störte: Die Schallplattenverkäufe stiegen um 47% im Vergleich zum Vorjahr.
2007 wurde mit Vinyl in Deutschland gerade mal acht Millionen Euro Umsatz gemacht - 2012 19 Millionen und 2013 ganze 29 Millionen Euro - eine Steigerung um 47% in nur einem Jahr.
Simonis, Lisa: Vinyl lebt! Die Rückkehr der Schallplatte. ZDFinfo Doku (2016).
Ohne ersichtlichen Auslöser² nahmen die Millennials eine Unterbrechung der digitalen Revolution vor, indem sie physikalische Tonträger nachfragten, die auf der Grammophontechnik aus den 1880er-Jahren³ basieren.
- Die zukunftsorientierten Musiklabels, die analoge Infrastruktur längst abgebaut und Abermillionen in Audio-Streaming-Plattformen investiert hatten, waren verärgert.
Seinerzeit gab es nämlich nur noch in Mecklenburg-Vorpommern⁴ ein Presswerk, das antiquierte PVC-Frisbees in nennenswerten Stückzahlen herstellen konnte. Und überhaupt sind die Produktionskosten einer Schallplatte viermal höher als die einer CD, was am hohen Personal- und Maschineneinsatz liegt.
Doch die Musik aus der Rille war keine kurzfristige Laune, sondern entwickelte sich schnell zum Trend. Bereits im Jahre 2014⁵ entschied sich die Drogeriemarktkette Müller dazu, ihr Multimediasortiment um Vinylscheiben zu erweitern.
Immer mehr Konsumenten wollten an der Nadel hängen, wodurch die Nachfrage lange Zeit das Angebot überstieg. Dieser Umstand führte dazu, dass skurrile Aussteigertypen⁶ alte Maschinenparks aus Italien oder aus der ehemaligen Sowjetunion erwarben, um kleine Schallplattenmanufakturen in den bundesdeutschen Provinzen⁷ zu gründen.
Björn Biebe: Die Maschine wurde in Schweden gebaut, wahrscheinlich in den 70ern. Die ging neu nach Italien und lief dort bis 2010. Dann habe ich sie bekommen.
Paul, Christopher: Vinyl-Boom. Das Comeback der Schallplatte. made in Südwest | SWR (2021).
Die Verbraucher honorierten die Kraftanstrengungen der heimischen Vinylgranulatveredler, indem sie im Jahre 2020 rund 4,2 Millionen⁸ Neupressungen kauften. Damit sind LPs die einzigen physischen Tonträger, deren Umsatzzahlen steigen, weshalb sogar IKEA einen preiswerten Plattenspieler entwickelt hat.
Dass Schallplatten wieder angesagt sind, ist auch zu IKEA vorgedrungen. Das Möbelhaus hat deshalb einen eigenen Plattenspieler vorgestellt, der zusammen mit einem ebenfalls schwedischen Zulieferer entwickelt wurde.
Hirsch, Sebastian: IKEA kündigt eigenen Plattenspieler an. In: PC-WELT Nr. 9 (2022). S. 6.
Junge Schallplattenkäufer geben an, dass sie Musik auf Vinyl bewusster hören. Kein Wunder, schließlich ist ein ritueller Akt vonnöten, ehe die ersten Kratzgeräusche aus dem mechanischen Wiedergabegerät ertönen. Alles beginnt mit dem Anfassen der bilderbuchähnlichen Papphülle. Verzierte Zellstoffcover sind eine US-amerikanische Erfindung aus dem Jahre 1939 und bieten dem Interpreten weiteren Raum, seine Klangkunst mit Texten und Fotografien zu beschreiben.
Alex Steinweiss hat die Idee, die braunen Packpapier- oder grauen Papphüllen der Schellackplatten mit einem künstlerisch gestalteten Cover zu versehen. Die Rückseite lässt sich für Werkkommentare nutzen.
Haffner, Herbert: „His Master’s Voice” - Die Geschichte der Schallplatte. Berlin: Parthas Verlag 2011.
Vor dieser Weiterentwicklung wurden Neupressungen lediglich in dünne Papiertüten gepackt, die in der Mitte ein Loch besaßen, sodass das Etikett zu lesen war. Diese Ursprungshüllen aus den 1910er-Jahren befinden sich heute in den Kartonagen und sollen die empfindlichen Kunststoffscheiben vor Kratzern schützen.
Wer eine gebrauchte LP auf dem Flohmarkt oder im Online-Handel erwirbt, der erhält manchmal nicht das original Album-Cover, da dieses entweder verloren gegangen oder beschädigt worden ist. Stattdessen befindet sich der Tonträger in einer neutralen Papiertüte, wie es sie schon vor einhundert Jahren gab. Diese Alternativverpackung eignet sich aber weder zum Weiterverschenken noch schützt sie das Vinyl optimal vor Beschädigungen.
- Doch zum Glück ist es mithilfe meiner Schablonen ganz einfach möglich, eine robuste Schallplattenhülle zu basteln.
- So lassen sich aus meinen Schnittmustern 31,5 Zentimeter große Mappen anfertigen, die einen drei Millimeter breiten Einschub besitzen, in den sogar kuvertierte Scheiben sicher hineingleiten können.
Des Weiteren zeige ich in der folgenden Bildanleitung, wie ich eine individuell verzierte Zellstoffkartonage zusätzlich mit einem passgenauen Polypropylen-Umschlag ausstatte. Diese Kunststoffeinlage hält äußere Einflüsse zuverlässig fern und verlängert somit die Lebenszeit von erlesenen Sammlerstücken.
Das Plattencover
Für die Herstellung eines Vinyl-Einbandes verwendete ich stets einen einfarbigen Fotokarton, der mit einer Grammatur von 300 g/m² eine solide Basis bildete. Um sowohl die Haptik wie auch die Optik des Futterals zu verbessern, nahm ich zwei Optionen wahr: Einmal verkleidete ich die Außenfassade der Mappe mit bedruckter Strohseide und ein anderes Mal wertete ich das Fundament mit simplem Tonpapier auf, das ich zuvor nicht nur geprägt, sondern ebenso akzentuiert hatte. Hingegen die Plastik-Schutzhülle bastelte ich aus einem widerstandsfähigen PP-Bogen⁹ mit glatter Innenseite. Des Weiteren kamen als Werkzeuge eine Schere, flüssiger Kleber, ein Hobbyskalpell, Acrylfarben, eine Malerkrepprolle, ein Falzbein, eine Sizzix Big Shot Maschine und meine PDF-Schablonen zum Einsatz.
Nachdem ich das digitale Verbunddokument in eine analoge Form gebracht hatte, verwandelte ich die ersten sechs Vordrucken in ein überdimensionales Schnittmuster. Hierfür legte ich die freigeschnittenen Vorlagen an den identischen Buchstaben aneinander, ehe ich das Puzzle mit Malerkrepp fixierte. Unmittelbar danach stellte ich aus der Komposition sowohl eine Fotokarton- wie auch eine Tonpapierkopie her.
Als Nächstes nahm ich meine Sizzix Big Shot Maschine und einige Acrylfarben zur Hilfe, um eine Seite des dünneren Bastelpapiers zu verzieren. Daraufhin klebte ich die beiden identischen Bauteile so aufeinander, dass die dekorierte Fassade nach außen zeigte.
Direkt im Anschluss drehte ich das Muster auf den Rücken. Dann legte ich die Originalschablone auf das verstärkte Duplikat, damit ich die gestrichelten Linien auf den Ausdrucken mit einem Falzbein abpausen konnte.
Nachdem ich das starre Fundament mit beweglichen Extremitäten ausgestattet hatte, schlug ich die beiden Seitenlaschen heftklammerförmig nach innen ein. Auch den viereckigen Deckel wölbte ich gleichermaßen, ehe ich das Ganze zum Plattenetui zusammenklebte.
Die Schutzhülle
Um die Einlage aus Plastik zu basteln, setzte ich aus den sechs übrig gebliebenen Schablonen wieder ein weiträumiges Schnittmuster zusammen. Die 31 Zentimeter große Vorlage übertrug ich dann auf einen Polypropylen-Bogen, bei dem ich nach dem Freistellen das Etiketten-Loch mit einem Hobbyskalpell ausgeschnitten habe.
Als Nächstes machte ich sowohl den Deckel wie auch die Seitenlaschen mit einem Falzbein beweglich, sodass ich aus dem Kunststoffbogen einen Umschlag falten konnte.
- Im Gegensatz zum Papier-Cover fixierte ich die Verschlussklappe aber nicht mit Flüssigkleber, sondern nahm stattdessen farblose Tesafilmstreifen zur Hilfe.
Zu guter Letzt schob ich die Schutzhülle in die Zellstoffverpackung. Gleich darauf hatte ich ein einzigartiges Zuhause für Schallplatten gebastelt, in dem Vinyltonträger zuverlässig vor Kratzern geschützt sind.
Verwandte Themen:
CD-Hüllen zum Ausdrucken - Verpackungen für Compact Discs
Zeitschriftenablage basteln - Stehordner aus Upcycling-Material
¹Sarrazin, Thilo: Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen. 2. Auflage. München: Deutsche Verlags-Anstalt 2010.
²Fischer, Marti Tom: Phonograph vs. Grammophon - Die Erfindung der Tonaufzeichnung. youtube.com (09/2022).
³Riess, Curt: Knaurs Weltgeschichte der Schallplatte. Zürich: Droemer Knaur 1966.
⁴Galileo: Die Schallplatte boomt: Warum die Vinyl die Jugend erobert. youtube.com (09/2022).
⁵Aigner, Andrea: Das Revival der Schallplatte. youtube.com (09/2022).
⁶Meißner, Frank: Schmidt Max und die Magie der Schallplatte. BR (2018).
⁷Rosentreter, Lars: Vinyl stirbt nicht aus: So entstehen Schallplatten in Diepholz. buten un binnen | ARD (2021).
⁸Eigner, Isabella: Renaissance der Rille. In: test Nr. 10 (2021). S. 38.
⁹CLAIREFONTAINE PP-Bogen mit einer Stärke von 0,5 Millimetern.