Neulich unkte ein deutscher Vater in einer WhatsApp-Gruppe: „Schulveranstaltungen sind wie die Werbung im Privatfernsehen: Beides nimmt immer mehr Raum ein.” Tatsächlich bleibt zwischen Sportspieltag, Herbstbasar, Adventsmarkt, Theateraufführung, Lesenacht, Filmprojekt, Klassenratssitzung, dem Morgenlob und dem obligatorischen Schulfest wenig Zeit für Algebra. Das ist auch richtig so, da das heutige Schulwesen modern ist und reformpädagogischen Konzepten aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert folgt. Dementsprechend steht die Schaffung einer anregungsreichen Lebens- und Lerngemeinschaft¹ vor didaktischen oder methodischen Überlegungen. Aufgrund ihrer integrierenden und beziehungsstiftenden Funktion bilden vor allem Feste die Grundlage² für eine positive Lernumgebung, weswegen fidele Zusammenkünfte ein wesentlicher Bestandteil des Schulalltags sind.
Auf der einen Seite stärkt ein gelungenes Fest das soziale Zusammengehörigkeitsgefühl, auf der anderen Seite fördert es aber auch die Integration des Fremden.
Die Fundgrube für Feste und Feiern in der Sekundarstufe I. Hrsg. von Siga Diepold. Berlin: Cornelsen Scritpor 2001.
So weit, so klar - aber warum dominieren Wiener³ und Eierwaffeln⁴ seit den 1960er-Jahren das kulinarische Programm dieser Events? Zwar empfiehlt die Fachliteratur, dass schulische Feste wiederkehrende Elemente⁵ beinhalten sollen, um bei der Feiergesellschaft eine gemeinsame Identität zu stiften; das schlechte Essen hat allerdings eher wirtschaftliche Hintergründe. Schließlich lassen sich mit Schweinswürstchen und ausgebackenem Rührteig hohe Gewinnspannen erzielen. Dabei könnten die Organisatoren das gleiche finanzielle Ergebnis bei gesünderer Speisenauswahl erreichen, wenn sie sich einen alten DDR-Trick zunutze machen würden.
Während des real existierenden Sozialismus kursierte kein Bargeld auf den Festplätzen. Stattdessen wurden sowohl Getränke wie auch Fressalien und Attraktionen mit Wertmarken bezahlt, die sich an zentraler Stelle am Eingang des Geländes gegen Banknoten eintauschen ließen.
Das Geld wird deponiert, während die Gutscheine als Zweitwährung umlaufen.
Priddat, Birger P.: Kleingeld. Die verborgene Seite des Geldes. Berlin: Kulturverlag Kadmos 2011.
„Typisch misstrauische Ossis”, könnte manch einer nun denken. Wer die Begleitumstände der Grilletta und des Goldbroilers kennt, der ahnt vielleicht, dass die parteinahen Initiatoren in dem Couponsystem mehr als nur eine Kontrollfunktion sahen.
Warum Essensmarken?
Vielmehr ging es um die Erhöhung des Umsatzes. Schließlich weiß am Anfang einer Veranstaltung niemand so genau, wie viele Bockwürste und Limonaden er konsumieren möchte. Also werden die Prepaid-Kärtchen zumeist über dem Eigenbedarf gekauft. Aus diesem Grund konnten die Essensmarken oftmals schon eine Woche vor einem Schützenfest oder einer Kirchweih⁶ erworben werden, damit das Festkomitee noch mehr von der menschlichen Unsicherheit profitierte. Ähnlich wie bei heutigen Wiesn-Markerl⁷ war es seinerzeit ebenso nur in Härtefällen⁸ möglich, ungenutzte Coupons zurück zu tauschen. Und so galt jeder nicht eingelöste Voucher als Spende an den Organisator.
Unsere PDF-Datei enthält auf jeder DIN-A4-Seite 14 Essensmarken, die sich wie ein Formular direkt im Webbrowser ausfüllen lassen. Das erste Layout ist für alle schulischen Feste geeignet, währenddessen das zweite Design explizit für Weihnachtsfeiern entworfen wurde.
Nun muss jede Schulgemeinschaft selbst entscheiden, ob sie dem gewinnmaximierenden DDR-Wertmarkensystem folgt oder ob sie den reformpädagogischen Gedanken der lockeren Zügel in den Vordergrund stellt.
Schüler sind häufig ganz „heiß darauf”, möglichst viel Geld einzunehmen. [...] Nur: Das Geldeinnehmen sollte nicht zum wichtigsten Bestandteil eines Festes werden. Hohe Preise, jede Leistung in barer Münze als Gegenwert, das nimmt einem Fest die Leichtigkeit.
Die Fundgrube für Feste und Feiern in der Sekundarstufe I. Hrsg. von Siga Diepold. Berlin: Cornelsen Scritpor 2001.
Nur Bares ist Wahres. Rund 58%⁹ der Menschen in Deutschland lehnen alternative Zahlungsmethoden ab und zücken Münzen sowie Scheine an der Ladenkasse. Das ist auch völlig richtig so. Im örtlich begrenzten Rahmen eines Schulfestes bieten Verzehrcoupons verglichen mit Bargeld jedoch viele praktische Vorteile.
Vorzüge von Wertmarken
So trägt Alina aus der 10b zwar vorbildlich Hygienehandschuhe, dafür stundenlang die gleichen. Müsste sie bei jedem Kunden noch Banknoten anfassen, würde sie viele Keime auf ihre feilgebotenen Salamibrötchen übertragen.
- Darüber hinaus ist das Subtrahieren im Kopf sehr schwer. Wenn Schüler Bargeld wechseln, führt das an jedem Stand zu variablen Preisen und Kassendifferenzen.
- Außerdem hält die Rechnerei unheimlich auf, was sich negativ auf die Bedienzeit auswirkt.
Und natürlich beugt es Diebstählen vor, wenn alle Einnahmen an einem zentralen Markenstand gesammelt werden. Im Jahre 2006 provozierte der Rapper Sido noch mit der Liedzeile: „Ich bin unberechenbar, ich lass’ nicht mit mir reden, ich hab’ kein Problem damit, die Kasse mitzunehmen.” Heute gibt jeder vierte Brandenburger Schüler offen zu, dass er klaut.
Jeder vierte Schüler klaut, jeder zweite fährt schwarz. Das ist das erschreckende Ergebnis einer neuen Jugendstudie.
Rubert, Dajana: Erschreckend: Immer mehr Schüler klauen und fahren schwarz! berliner-kurier.de (10/2023).
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¹Schule neu gedacht - Schule neu gemacht. Die moderne Schule. Reformpädagogische Unterrichtsentwicklung. Hrsg. von Christian Laner. Innsbruck: Studienverlag 2014.
²Lindenberger, Fritz: Schulfeier - ein Anlass für Schulentwicklung. In: Abenteuer Schulentwicklung. Edition Innsalz Verlag 2000 (= Bildungsperspektiven Band 3). S. 181.
³Regionale Schule „Caspar David Friedrich” Greifswald: Schulfest 2017. youtube.com (10/2023).
⁴Förderverein für die Wilhelm-Götze-Schule Wusterwitz e.V.: Das Schulfest 2019. youtube.com (10/2023).
⁵Die Fundgrube für Feste und Feiern in der Sekundarstufe I. Hrsg. von Siga Diepold. Berlin: Cornelsen Scritpor 2001.
⁶Vetter, Veronika Helga: Was ist eine Kirchweih und gibt es Unterschiede zur Kirmes? gws2.de (10/2023).
⁷Kammler, Stefan: Wiesn-Gutscheine können auch nach dem Oktoberfest noch eingelöst werden. wiesnkini.de (10/2023).
⁸Priddat, Birger P.: Kleingeld. Die verborgene Seite des Geldes. Berlin: Kulturverlag Kadmos 2011.
⁹Montz, Markus: Mobiles Bezahlen: Zahlen, Daten, Fakten. In: c’t Nr. 13 (2023). S. 100.